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Schwarze Schmetterlinge

Schwarze Schmetterlinge

Titel: Schwarze Schmetterlinge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Jansson
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Bist du da?« Schniefen, Räuspern, ein zischender Hustenanfall. »Was ist denn? Ist was mit Mama?«
     
    »Nein, mit Britt ist alles in Ordnung. Ich wollte dich nicht stören, aber ich glaube, es wird nicht mehr lange gehen.« Die Worte kamen stoßweise, eins nach dem andern.
     
    »Ich setze mich sofort ins Auto.«
     
    »Nein, Per, warte bis morgen. Ich hab nur das Gefühl, so allein zu sein. Jetzt haben sie mir Morphium und etwas zur Beruhigung gegeben. Ich werde schlafen. Wenn du morgen Zeit hast zu kommen, dann wäre das schön.«
     
     
    Da meint man, seine Eltern wären immer für einen da, und alles werde so bleiben, wie es schon immer war, dachte Per, als er sich später im Bett zusammengerollt hatte. Er lag mit angezogenen Beinen da, das Kissen aufs Gesicht gedrückt, als würde er sich sogar in seiner Einsamkeit für seine Tränen schämen. Vom obersten Regalbrett im Kleiderschrank hatte er die Propellermütze geholt, die er von Folke bekommen hatte, und drückte sie jetzt an seinen Bauch.
     
    Die Fürsorge, die Tatsache, dass jemand an einen denkt, das war bisher immer so selbstverständlich gewesen. Gedanken und Erinnerungen wirbelten in seinem Kopf herum. Wie er schon früh in der dunklen Waschküche zwischen den Häusern mit Mädchen herumprobiert hatte und dabei von Britt ertappt worden war, die ihm mit Schlägen gedroht hatte, wenn der Papa nach Hause käme. Schläge, die es nie gegeben hatte. Folke und er hatten zusammen geangelt, Modellflugzeuge gebaut, gelesen und neue Welten entdeckt, an Mopeds rumgebastelt, dann an Autos, und sie hatten ihre Gedanken geteilt. So viel Zeit, so viel Aufmerksamkeit und Liebe dürfen nicht alle Menschen erfahren, das wurde ihm auf einmal bewusst.
     
    Mit schwerer Seele und schweren Augenlidern musste er dann doch eingeschlafen sein. Gegen vier Uhr wurde er von einem fremden Geruch aus seinem unruhigen Dämmern gerissen. Der erstickende Duft von schwerem Herrenparfüm. Ein süßlicher Gestank. Eigentlich roch es mehr wie eine Art Insektenvertilgungsmittel.
     
    Per streckte die Arme nach Felicias Körper aus. Sie schlief mit den Kleidern am Leib. Er hörte ihre ruhigen und gleichmäßigen Atemzüge. Erst verspürte er eine große Erleichterung, dann überfielen ihn die unwillkommenen Gedanken. Pernillas Stimme. Frag sie, wo sie gewesen ist, weck sie auf, und nagle sie fest. So kann sie dich doch nicht behandeln. Er war jetzt ganz wach, hellwach. Das Gespräch mit Folke am Abend zuvor drehte sich wie ein scharfkantiger und zackiger Stein im Bauch hin und her. Verzweifelt robbte er an Felicias warmen Körper heran. Sie befreite sich von ihm, rutschte zum Rand hin.
     
    »Ich mag jetzt nicht.«
     
    Der Gestank war auch in ihrem Haar und dem weißen T-Shirt. Der Geruch von einem anderen Mann. Per stand auf und setzte sich an den Küchentisch. Dort blieb er sitzen, bis der Wecker um halb fünf klingelte. Felicia sah ihn verschlafen an, als er ihn ausschaltete.
     
    »Wo warst du gestern?« Er setzte sich ans Fußende des Bettes und rüttelte an ihren Beinen, bis sie sich bewegte.
     
    »Warum klingelt denn der Wecker? Ist heute nicht Samstag?«, fragte sie und versuchte, sich aus der Decke zu winden, die sich um ihren Körper gewickelt hatte.
     
    »Wo warst du? Was ist passiert?« Er schloss die Augen und merkte, dass er den Atem anhielt, während er auf die Antwort wartete.
     
    »Was für eine Schicht, ich sag’s dir! Es war wie im Krieg. Wir haben sieben Patienten reingekriegt, von denen einer mit einem allergischen Schock in der Notaufnahme gestorben ist. Eine junge Frau. Ich hatte vorgehabt, früher zu gehen, aber es ging einfach nicht.«
     
    »Na ja, selbst wenn du nicht schon ab Mittag freinehmen konntest, dann hättest du doch spätestens um halb fünf Schluss gehabt.«
     
    »Ja, aber ich konnte nicht mal zur normalen Zeit gehen. Als ich gegen sieben langsam fertig war und die letzten Dinge diktieren wollte, da kam eine von den Krankenschwestern und sagte, der Mann wolle seine tote Frau nicht hergeben. Verstorbene Patienten dürfen vier Stunden auf Station liegen, dann müssen sie in den Kühlraum gebracht werden. Es klingt furchtbar zynisch, aber wir brauchten das Zimmer. Wir mussten noch mehr Patienten unterbringen, und der Platz reichte nicht. Ich habe zwei Leute nach Hause geschickt, obwohl die eigentlich ein Bett gebraucht hätten. Der Mann war völlig blockiert. Ich habe von sieben Uhr abends bis um Viertel nach drei in der Nacht bei ihm gesessen,

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