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Schwarze Sekunden: Roman (German Edition)

Schwarze Sekunden: Roman (German Edition)

Titel: Schwarze Sekunden: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karin Fossum
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Sie würde nie auf den Gedanken kommen, daß die anderen nicht ihr Allerbestes wollen. Denn daran ist sie gewöhnt.« Er legte die Brille auf den Tisch. Endlich ließ er sie in Ruhe. »Kann ich irgend etwas tun?«
    »Wir werden so viele Leute wie möglich zusammenrufen und die Gegend durchkämmen«, sagte Sejer. »Es ist leicht, für solche Aufgaben Freiwillige zu finden. Alle in der Gegend haben von Idas Verschwinden gehört. Sie werden von Profis angeleitet, und ihnen wird genau erklärt, wie sie suchen sollen.«
    »Was ist mit dem Fluß?« fragte Anders mit schwacher Stimme. Er wollte es nicht laut sagen.
    »Wir überlegen natürlich, ob wir auch dort suchen sollen«, sagte Sejer. »Aber zuerst suchen wir an Land, und jedes Haus an der Straße zu Lailas Kiosk wird von unseren Leuten Besuch bekommen.«
    »Ich will beim Suchen helfen«, sagte Anders.
    »Wir sagen Ihnen noch Bescheid«, sagte Sejer. »Was den Treffpunkt angeht. Vermutlich nehmen wir den Schulhof. Kümmern Sie sich so lange um Helga.«
    Anders brachte sie zur Tür. Er blieb auf der Treppe stehen und sah ihnen hinterher. Stützte die Hände auf das Geländer und beugte sich vor. Seine Augen jagten durch die Landschaft, dorthin, wo Ida war.
    »Sie ist seit siebzehn Stunden verschwunden«, sagte er mit lautem Stöhnen. »Es ist zu spät, und das wissen Sie genau!«
    Er schlug die Hände vors Gesicht und blieb zitternd stehen. Sejer ging zu ihm zurück. Er packte Anders am Arm und drückte zu. Etwas anderes konnte er nicht tun. Dann ging er wieder zum Wagen. Er hatte das Gefühl, einem Ertrinkenden den Rücken zu kehren.
    *

E INE GROSSE G RUPPE von Freiwilligen hatte sich bei der Schule von Glassverket versammelt. Die ganze Nacht war vergangen, und in allen Gesichtern war der Ernst zu lesen. Es regnete noch immer, jetzt aber nicht mehr so heftig. Die Gruppe bestand aus Mitgliedern des Roten Kreuzes und anderer Hilfsorganisationen, aus Lehrern und Schülern der Schule, aus Leuten vom Sportverein und allerlei anderen Vereinen. Es waren auch ganz normale Menschen gekommen, die den Aufruf zur Suche gehört hatten. Sie hatten ihre Häuser verlassen und waren durch den Regen gegangen, in der Hoffnung, sich nützlich machen zu können. Viele waren noch sehr jung, und das Übergewicht von Männern und Knaben war auffällig. Auch einige Kinder hatten sich eingestellt, wurden aber wieder nach Hause geschickt. Emil Johannes hatte die vielen Menschen gesehen und war mit seinem grünen Dreirad in den Regenunterstand gefahren, um sie aus sicherer Entfernung betrachten zu können. Niemand kam auf die Idee, ihn um Hilfe zu bitten. Und er wollte auch nicht helfen. Er sah die Hunde an, die manche Leute an der Leine führten. Wenn einer sich losriß, würde Emil Johannes ganz schnell den Motor anlassen und wegfahren. Er konnte Hunde nicht leiden.
    Die Suchmannschaft studierte Landkarten und ließ sich von der Polizei erklären, wie sie sich im Gelände zu bewegen hatte. Wie dicht sie gehen, wonach sie Ausschau halten sollte. Es galt, die ganze Zeit zutiefst konzentriert zu sein. Nicht zuviel zu reden. Eine Gruppe wurde in Richtung Wasserfall geschickt, eine andere sollte am Flußufer suchen. Der Rest wurde auf die Felder, den Wald und die Hügel über dem Ort verteilt.
    Jacob Skarre erteilte noch letzte Ermahnungen. »Nicht vergessen, daß Ida klein ist«, sagte er. »Sie nimmt nicht viel Platz ein.«
    Die anderen nickten ernsthaft. Skarre sah sie an und dachte sich seinen Teil. Er wußte recht gut, was in ihren Köpfen ablief. Viele und widersprüchliche Dinge nämlich. Einige waren aus Verzweiflung gekommen, da sie selbst Kinder hatten und es nicht ertrugen, passiv vor dem Fernseher zu sitzen. Andere waren wegen der Spannung gekommen und hofften, daß gerade sie Ida finden würden. Sie träumten davon, wie sie Idas Leiche fanden, träumten davon, wie sie dann im Mittelpunkt stehen würden, und träumten zugleich davon, sie unversehrt anzutreffen. Und dann rufen und mit der guten Nachricht die Aufmerksamkeit der anderen auf sich lenken zu können. Ida aufzuheben und zu den anderen zu tragen. Sie hatten Angst, denn nur die wenigsten unter ihnen hatten je eine Leiche gesehen, und die meisten gingen davon aus, daß Ida tot war. Sie waren mit ihren unangenehmen Gedanken konfrontiert und scharrten ungeduldig mit den Füßen über den Asphalt. Einzelne trugen Wanderrucksäcke, die Thermosflaschen enthielten. Und jeder hatte einen Adlerblick, das glaubten sie zumindest selbst.

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