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Schwarze Sekunden: Roman (German Edition)

Schwarze Sekunden: Roman (German Edition)

Titel: Schwarze Sekunden: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karin Fossum
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Art. An der Längswand stand eine alte Apothekerkommode mit hundert kleinen Schubladen. Außer Willy wußte niemand, was diese Schubladen enthielten. Sollte jemand hineinschauen, würde er nur Dosen und Töpfe sehen. Eins stand fest. Manches von dem, was in den Schubladen lag, würde sich auf der Straße mit großem Verdienst verkaufen lassen. Er rauchte und kniff beim Nachdenken die Augen zusammen. Dann hörte er ein Auto über den Kiesweg knirschen. Ein hochgewachsener, grauhaariger Mann stieg aus. Willy fuhr alle Fühler aus. Automatisch war er auf der Hut. Er konnte noch schnell eine fragende Miene aufsetzen, ehe Sejer in der Garagentür aufragte. Willy sah ihn als scharfgezeichnete Silhouette. Und gerade das Gefühl, das jetzt in ihm aufkam, war ihm vertraut, weshalb er blitzschnell nachdachte. Der Mann blieb eine Weile wortlos stehen. Dabei starrte er neugierig den schwarzen Opel an, das auf dem Boden verteilte Werkzeug, und dann Willy.
    »Herr Oterhals?« fragte er höflich.
    Willy nickte. Ein Muskel verkrampfte sich in seinem Magen. Der Mann, der da in der Tür stand und ihn ansah, dieser Mann von fast zwei Meter Größe, kam von der Polizei. Da war Willy sich ganz sicher.
    »Sie reparieren Autos?« fragte Sejer neugierig.
    »Reparieren nicht gerade«, Willy winkte ab. »Das hier ist rein kosmetisch.«
    Sejer trat ein paar Schritte vor. Er musterte den Kotflügel.
    »Ich komme von der Polizei«, sagte er. »Ist Tom Erik Rix hier?«
    Er begegnete Willys Blick. Zugleich zog er seinen Dienstausweis aus der Tasche.
    »Nein«, sagte Willy rasch.
    Er sprang von der Bank und stand mit verschränkten Armen da.
    »Wissen Sie, wo er ist?« fragte Sejer.
    Willy widerstand der Versuchung, auf den Hof hinauszuschauen. Tomme war zum Kiosk unterwegs. Er konnte jeden Moment wieder hier sein.
    »Er taucht sicher hier auf. Aber ich weiß nicht, wann. Warum wollen Sie Tomme sprechen?« fragte er.
    »Sie haben sicher von seiner Kusine gehört.«
    »Ja. Himmel.«
    »Ich wollte nur kurz mit ihm reden. Haben Sie sich an der Suchaktion beteiligt?« fragte Sejer.
    »Nein. Aber Tomme war dabei.«
    Willy lief in der Garage hin und her und bohrte dabei die Hände in die Taschen.
    »Sie hatten Pech mit dem Wagen?« fragte Sejer ablenkend und starrte den schwarzen Opel an.
    »Das ist nicht meiner«, sagte Willy rasch. »Ich bin kein so mieser Fahrer, daß mir so was passiert. Der hier gehört Tomme. Er ist unten an der Autobahnbrücke gegen die Leitplanke geknallt. Hat eben erst den Führerschein gemacht«, sagte er resigniert und versuchte ein vertrauliches Lächeln. Er selbst fuhr seit vier Jahren und hielt sich für einen hervorragenden Fahrer.
    »Mit Frischlingen am Steuer ist nicht zu scherzen«, Sejer nickte. »Aber ein Glück vielleicht, daß er die Leitplanke getroffen hat. Und nichts anderes.«
    »Ja, Himmel«, sagte Willy rasch.
    Er ließ die Zigarette auf den Boden fallen. Eine Reihe von Gedanken raste durch seinen Kopf. Konnte das hier ein Zufall sein? Ein Bulle in seiner Garage? Hatte jemand geplappert? Ihm wurde schwindlig, und er lehnte sich an die Wand. Er hätte sich gern den Schweiß von der Stirn gewischt, konnte diesen Reflex aber in letzter Sekunde noch unterdrücken.
    »Was für ein Glück für Tomme, daß Sie sich mit Autos auskennen«, sagte Sejer.
    Willy nickte. Er stand kurz vor der Panik. Jeden Moment konnte Tomme vor dem Haus vorfahren, in Willys eigenem Scorpio, mit Cola und Tabak in einer Tüte. Willy wußte nicht, wohin er schauen sollte. Nicht in Sejers forschende graue Augen, nicht auf die Apothekerkommode, nicht auf Tommes verbeulten Opel. Am Ende starrte er zu Boden.
    Sejer ging ein paar Schritte weiter, näherte sich dem Opel und schaute hinein. Danach drehte er eine Runde um den Wagen.
    »Zähe Karren, diese alten Opel«, sagte er fachmännisch.
    Willy nickte stumm.
    »Ich sehe Tomme sicher ein andermal«, sagte Sejer. Dann schaute er sich rasch über die Schulter um, zur hinteren Längswand der Garage.
    »Schöne Kommode übrigens. Für Schrauben und Muttern?«
    Willy nickte gleichgültig, während sein Herz unter dem Overall wie wild hämmerte. Jetzt zieht er eine Schublade heraus, dachte Willy, jetzt wühlt er ein wenig herum. Er weiß, wer ich bin. Sie haben alles im Computer. Er kann sich einfach zu allem vortasten, zu wichtigen Dingen und zu Kleinigkeiten. Vor allem zu den Kleinigkeiten, dachte Willy und schwitzte. Aber Sejer war endlich zufrieden. Er verließ die Garage. Eine Wagentür fiel ins

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