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Schwarze Stunde

Schwarze Stunde

Titel: Schwarze Stunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Feher
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ich weiß kaum mehr von ihm als seinen Vornamen. Doch es hat mir gezeigt, dass ich Manuel innerlich schon hinter mir gelassen habe. Vielleicht bereits länger als die Wochen, die ich wirklich von ihm getrennt bin.«
    »Das geht ja schnell bei dir«, erwidert Alena. Ihr verständnisloser Blick, den sie nicht abgelegt hat, seit sie mich vor der Badezimmertür überrascht hat, verstärkt sich noch, durchbohrt mich. »Was war das für ein Typ, was war so toll an ihm, dass du deine echten Freunde vergisst?«
    »Weder dich noch Manuel habe ich vergessen «, erwidere ich. Ein Gefühl von Enge schnürt mir den Hals ab. Ich bin kaum zurück, schon bedrängt sie mich, sie macht mich wahnsinnig mit ihrer Art.
    Gerade überlege ich, was ich am besten sage, damit sie aufhört, so in mich zu dringen, da kommt meine Mutter ins Zimmer. Ihre Locken, die das gleiche dunkle Braun besitzen wie meine Haare, hat sie mit einem breiten Stirnband gebändigt, ihre Gesichtshaut glänzt, sie ist ein wenig außer Puste. An Tagen mit über dreißig Grad müsste sie nicht in ihrer Mittagspause aus dem Büro nach Hause eilen, um zu kochen, schon gar nicht meinetwegen. Ich hätte genauso gut mit Alena rausgehen und unterwegs eine Kleinigkeit essen können, einen Wrap mit Salat, Zaziki beim Griechen oder einfach nur ein großes gemischtes Eis mit Früchten. Später dann vielleicht zusammen kochen, wenn Mama und ich beide Zeit haben; Rezepte aus fernen Ländern ausprobieren, Thailändisch, Indisch, Spezialitäten aus Afrika. Einen Aperitif trinken, während wir das Gemüse schneiden. Aber aus der Küche duftet es jetzt nach Fleischbrühe, Zitronen und Lorbeer.
    »Die Überraschung scheint mir gelungen zu sein«, bemerkt Mama und kommt auf mich zu, umarmt mich wie immer ein wenig hölzern, eine Höflichkeitsumarmung, ungeübt, voller Furcht, zu viel Gefühl zu zeigen. Als könnte ihr die Wärme selber fehlen, wenn sie etwas davon abgibt. Jetzt, wo ich fast erwachsen bin, macht es mir nicht mehr so viel aus wie als Kind, obwohl ich es bewusster wahrnehme als damals.
    »Ich wusste doch, dass ihr beide euch auch nach Alenas Urlaub so viel zu erzählen habt, dass meine Tochter vergisst, mich zu begrüßen.« Mama bemüht sich um ein amüsiertes Lächeln, trotzdem bemerke ich den leicht gekränkten Zug um ihre schmalen Lippen. Was wollen sie nur alle von mir; was ist so verwerflich daran, dass ich mal zwei Tage lang für mich allein in London war, um meine Lieblingsband zu sehen? Ich merke, wie ich schon wieder zu schwitzen beginne, und stehe auf, um das Fenster zu öffnen.
    »Zieh dir was an, Valerie, und dann kommt zum Essen«, sagt sie. »Es gibt Königsberger Klopse und grünen Salat, alles heute früh schon vorbereitet. Den Abwasch macht ihr hinterher aber, ich muss gleich noch mal ins Rathaus.«
    Ich nicke und stehe auf, ich weiß, dass sie Dankbarkeit von mir erwartet, weil sie mich allein hat nach London fliegen lassen, obwohl sie eigentlich dagegen war.
    »Wenn du achtzehn bist, kannst du machen, was du willst«, hatte sie gesagt. »Aber bis dahin habe ich noch ein Wörtchen mitzureden.« Nur mühsam habe ich sie überzeugen können, dass es auf die zwei Monate bis zu meiner Volljährigkeit nicht mehr ankommt, und erst die Tatsache, dass ich meine Übernachtung in einer betreuten Jugendherberge gebucht habe, hat sie weich gekocht.
    Dabei sieht Mama manchmal selber noch fast wie ein Mädchen aus. Ich habe Fotos gesehen, auf denen sie so jung war wie ich heute. Wie Schwestern, dachte ich dabei. Nur die Mode war damals anders, und von der Dauerwelle, die zu jener Zeit modern gewesen war, hat sie sich nie mehr ganz zu befreien gewagt. Aber Mama kann noch nicht vergessen haben, wie es ist, auch mal frei sein zu wollen. Nicht alles den Eltern zu erzählen. Ziele zu haben, von denen sie nicht einmal etwas ahnen; abends noch mal wegzugehen, auch wenn alles, wirklich alles dagegen spricht. Sich in jemanden zu verlieben, der absolut nicht passt, der dafür so faszinierend ist, dass man immerzu an ihn denken muss. Von dem man sich angezogen fühlt wie von einem Strudel, unbeirrbar und ohne dagegen ankämpfen zu können.
    Mama eilt in die Küche zurück. Alena hält mich am Handgelenk fest und sieht mich ungeduldig an, ihre Augen flackern hin und her, scannen jede Regung von mir, am liebsten hätte sie es wohl, ich wäre aus Glas.
    »Also gut, ich erzähl’s dir«, flüstere ich, damit sie endlich Ruhe gibt. »Aber nicht jetzt und nur wenn du mir sagst, in

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