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Schwarze Stunde

Schwarze Stunde

Titel: Schwarze Stunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Feher
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ich. »Corvin war auf demselben Rockkonzert wie ich, hatte sogar das gleiche Shirt an. Und wir haben super gut miteinander reden können. Es ist doch nicht jeder gleich ein Zuhälter, nur weil er nicht mehr zur Schule geht und bei Mami wohnt.«
    »Selbst wenn das alles stimmt, was du sagst. Wenn du mit ihm zusammenkommst, stell dir das nur im Alltag vor: Was soll ein Dreißigjähriger auf unseren Partys oder wenn wir zu mehreren weggehen? Ich hätte keine Lust, die ganze Zeit einen Aufpasser dabei zu haben. Dann können wir auch gleich unsere Eltern mit in den Club schleppen.«
    »So alt wie unsere Eltern ist Corvin noch lange nicht. Ein paar Jahre älter als wir vielleicht, aber keine ganze Generation. Höchstens acht oder zehn Jahre.«
    »Es würde komisch aussehen«, beharrt Alena.
    »Aber er ist kein Aufpassertyp. Unterhältst du dich nicht gerne mal mit Älteren? Jedenfalls, wenn sie cool drauf sind? Ich meine ja nicht nur Männer damit.«
    »Bis Anfang zwanzig vielleicht«, meint Alena. »Aber einer, der zehn Jahre älter ist als wir – der hat bestimmt schon ganz andere Interessen. Wenn du mit seinen Leuten unterwegs bist, langweilst du dich doch bloß, weil sie den ganzen Abend geschraubtes Zeug reden.«
    Genau das habe ich vorhin auch gedacht. Dennoch drängt es mich, Alena zu widersprechen. Ich will mir dieses besondere, schwebende Gefühl, das Corvin in mir geweckt hat, nicht beschmutzen lassen. Auch nicht von meiner besten Freundin. Schon gar nicht von meiner besten Freundin!
    »Corvin redet kein bisschen geschraubt«, betone ich deshalb. »Und man kann alles stemmen, wenn man sich wirklich liebt.«
    »Wirklich liebt?« Alena schreit beinahe, dann streckt sie ihre Hand aus und legt sie auf meine Stirn, fährt an meinen Wangen herunter und lässt sie auf meinem Schlüsselbein liegen, feuchte, leicht klebrige Finger. »Dich hat’s echt erwischt, glaub ich. Wenn du meine Meinung hören willst: Steiger dich da lieber nicht zu sehr rein. Wer weiß, ob du ihn überhaupt jemals wiedersiehst.«
    Ich winde mich aus ihrem Griff und antworte nicht. Es hat keinen Sinn. Vielleicht kann ich nicht verlangen, dass Alena mich versteht, sie will mich für sich, genau wie Manuel. Corvin scheint für sie eine andere Welt zu bedeuten, etwas Fremdes, Bedrohliches, von dem sie spürt, dass ich es nicht bis zum Letzten mit ihr teilen will. Es ist besser, ich behalte die Begegnung mit ihm künftig für mich; andere würden mich sicher noch weniger verstehen als sie.
    »Fahren wir«, beschließe ich deshalb und stehe auf. »Ich werde am Kiosk noch eine Zeitschrift für Manuel holen, er liest gerne welche über Onlinespiele und Sport.«
    Als Alena und ich wenig später die Klinik betreten und vom Pförtner Manuels Zimmernummer in Erfahrung gebracht haben, spüre ich Beklemmung in mir aufsteigen. Der sterile Geruch, die umhereilenden Ärzte und Krankenschwestern, Patienten in Bademänteln und Hausschuhen, die vorsichtig Halt suchend in den Fluren auf und ab gehen. Es ist dunkler als ich erwartet hatte, vielleicht sind einige der ohnehin wenig anheimelnden Neonröhren in den Fluren ausgefallen. Das verglaste Schwesternzimmer in dem Flur, der uns vom Portier genannt wurde, ist unbesetzt. Eine bestimmt achtzigjährige Frau krümmt sich in ihrem Bett, das mitten im Flur steht, die weißen Haare kleben am Hinterkopf, die offene Seite ihres Operationsnachthemdes legt ihren Rücken frei.
    »Schwesterlein!«, ruft sie immer wieder, »Schwesterlein, ich müsste mal zur Toilette!«, aber niemand kommt ihr zu Hilfe. Besucher mit Blumensträußen in der Hand schleichen an ihr vorbei, zaghaft an Zimmertüren klopfend. Hinter einer davon liegt Manuel, mitten in diesem Gruselkabinett. Nicht etwa wegen einer Krankheit, eines Unfalls oder einer notwendigen Operation. Meinetwegen ist er hier. Schwindel überkommt mich, ich fasse mir an den Kopf, lehne mich an die Wand, im Moment ist mir einfach alles zu viel.
    Alena scheint nichts zu bemerken, sie geht einfach weiter.
    »Hier ist es«, verkündet sie, als wir endlich vor der richtigen Tür stehen. »Zimmer 483.« Sie klopft zweimal kurz, dann öffnet sie leise die Tür, zögert, doch als ich hinter ihr zurückbleibe, geht sie vor.
    Im Zimmer umfängt uns Stille, Manuel hat es für sich allein, das zweite darin befindliche Bett ist leer, frisch bezogen, es sieht so endgültig aus, trotz der Wärme läuft eine Gänsehaut über meinen Rücken. Vor dem Fenster bauscht sich ein hellgrüner Vorhang auf,

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