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Schwarze Stunde

Schwarze Stunde

Titel: Schwarze Stunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Feher
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Augen und meinen Kopf zu bewegen, den Raum nach bekannten Gesichtern aus, doch wohin ich auch schaue, ich entdecke niemanden. Meinen Cocktail trinke ich nun in größeren Schlucken, die Eiswürfel schmelzen schnell. Als das Glas leer ist, stelle ich es auf dem Tresen ab und gehe zur Tanzfläche, viele tanzen hier allein, und von hier aus kann ich die Treppe gut im Auge behalten, ohne dass es auffällt, ohne dass jemand denken könnte, ich warte die ganze Zeit vergeblich auf jemanden. Nach einer Weile tanze ich selbstvergessen, versuche nicht an Corvin zu denken und denke doch die ganze Zeit an ihn. Vielleicht wohnt er hier in der Nähe, vielleicht zieht er sich erst jetzt zu Hause um und macht sich dann auf den Weg? Wie mag er wohl leben? Ein Schrecken durchfährt meinen Körper, als mir plötzlich einfällt, dass er nicht zwangsläufig allein kommen muss, falls er den Weg ins Unterholz heute Abend noch findet, er kann mit Freunden auftauchen oder sogar mit einer Frau. Wie soll ich mich dann nur verhalten?, überlege ich fieberhaft. Schaffe ich es überhaupt, mich ganz normal zu benehmen, so als wäre ich heute Abend nur hier, weil er mir diesen Club empfohlen hat, und nicht vor allem seinetwegen?
    Das würde Corvin nicht tun, versuche ich mich selbst zu trösten. Er ist viel zu feinfühlig, um mich hierher einzuladen und dann mit einer anderen aufzukreuzen. Wenn er auch gespürt hat, dass etwas zwischen uns war, auch wenn es keiner von uns ausgesprochen hat, würde er mir doch nicht mit einer anderen Frau unter die Augen treten.
    Ich tanze weiter, der Discjockey legt die Songs sehr geschickt aufeinander, alle scheinen das gleiche Tempo zu haben, meine Bewegungen haben sich verselbstständigt, mich in Trance versetzt wie ein Marathonlauf, bei dem man irgendwann nur noch rennt, ohne nachzudenken, ohne seine Beine zu spüren. Beinahe schwebe ich, es wäre schön, mich mit Corvin zusammen zur Musik zu bewegen, nicht mit jedem Menschen schafft man es, dabei im Einklang zu sein.
    Ein Junge tanzt mich an und lächelt, bewegt seine Hüften und kommt seitlich auf mich zu, ich tue so, als bemerke ich ihn nicht, auf keinen Fall möchte ich wirken, als sei ich zum Flirten aufgelegt. Nicht auszudenken, wenn Corvin genau in dem Moment käme! Es soll nicht mit einem Missverständnis beginnen.
    Vom Bühnenraum her dringt eine Ansage durch, danach setzt das Schlagzeug ein, der Bass, die Gitarren. Ich verlasse die Tanzfläche und gehe hinüber, falls Corvin jetzt noch kommt, will ich schon vor der Bühne stehen, den Eindruck erwecken, ich sei wegen der Musik gekommen. Auch hier gibt es eine kleine Bar, dieses Mal bestelle ich mir ein Bier, merke gleich, dass die Band gut ist, ähnlich wie die Musik, die der DJ gespielt hat, aber authentischer, der Sänger singt mit geschlossenen Augen, seine langen Haare hängen vor seinem Gesicht, als sei er in Wirklichkeit viel zu schüchtern, um sich zu präsentieren. Die Musik nimmt mich gefangen, bis er die erste Pause ankündigt, ein Blick auf meine Uhr lässt mich erschrecken; es ist bereits fast ein Uhr. So lange wollte ich gar nicht bleiben, erst recht nicht allein, und auf einmal ist es auch wieder da, dieses Gefühl, beobachtet zu werden, das ich beim Tanzen und während des Auftritts der Band beinahe vergessen habe.
    Ich gebe mein Glas ab und sehe mich noch einmal um, streife mit meinem Blick unauffällig die Gesichter der Leute, an denen ich jetzt langsam vorbeigehe. Die Frau von vorhin prostet mir vom anderen Ende des Raums mit ihrem Sektglas zu, ich winke zurück, schaue weiter, Corvin kann auch später gekommen und gleich hier stehen geblieben sein, kann jemanden getroffen haben und hat mich vielleicht nicht gesehen. Aber Corvin ist nicht da, auch nicht, nachdem ich die Toilette aufgesucht und danach noch einmal den ganzen Club abgesucht habe. Ich versuche, nicht allzu enttäuscht zu sein, als ich schließlich gehe.

7.

    A uf dem U-Bahnhof fahre ich plötzlich zusammen. Beinahe hätte ich jemanden umgerannt.
    »Alena«, stoße ich hervor und erschrecke selbst über die Panik in meiner Stimme. Ihr vertrautes Gesicht scheint so fremd, weil ich nicht damit gerechnet habe, sie hier zu treffen. In ihren Augen hingegen ist nichts von Überraschung zu sehen, sie sieht mich an, als habe sie mich genau hier erwartet. Das Blut scheint aus meinem Körper bis in die Füße zu sacken, die gelben Kacheln an den Wänden verschwimmen zu einer wabernden Fläche und mein Mund fühlt sich an wie

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