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Schwarze Stunde

Schwarze Stunde

Titel: Schwarze Stunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Feher
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irgendjemanden, der einfach unerreichbar für dich ist, aus welchen Gründen auch immer. Willst du dann auch, dass ich dich die ganze Zeit anzicke?« Ich atme aus, bin ganz außer Puste von so viel Reden. »Wir halten doch immer zusammen, Alena. Jungs kommen und gehen, aber ohne einander sind wir nur halb so stark, das weißt du genauso gut wie ich.«
    Alena blickt zu Boden. Die ganze Fahrt durch den Tunnel bis zur nächsten Station sagt sie nichts. Erst als wieder Fahrgäste ein- und aussteigen, nickt sie.
    »Du hast recht«, lenkt sie ein, die Stimme zu hell. »Entschuldige. Natürlich halte ich zu dir, egal, wen du liebst.«
    »Ich weiß, wie schwer das ist«, gebe ich zu. Wir lächeln uns an, ein wenig unbeholfen, noch nicht ganz versöhnt. Vielleicht war sie doch im Club, es kann Zufall gewesen sein, muss es sogar. Vom Unterholz habe ich ihr nichts erzählt.
    Den Rest der Fahrt versuchen wir, miteinander zu reden, als hätte es nie diesen Riss in unserer Freundschaft gegeben, aber es gelingt uns nicht mehr als ein oberflächliches Plaudern, beide vermeiden wir die empfindlichen Themen, auch über Manuel sprechen wir jetzt nicht. Die Frage, ob wir noch gemeinsam etwas trinken gehen, steht im Raum, aber die stickige Luft in der U-Bahn verstärkt meine Müdigkeit. Ein Gähnen kann ich kaum unterdrücken. Der Zug fährt in die Güntzelstraße ein. Wir sind zu Hause. Wortlos steigen wir die Treppe hinauf bis zu der Litfaßsäule, an der wir uns immer trennen.
    »Wir sehen uns am Montag in der Schule«, sagt sie. Wir umarmen uns, Alena hält mich ein wenig länger umschlungen, als es mir angenehm ist. Sie merkt nicht, dass ich ihr nachsehe, bis sie um die Häuserecke verschwunden ist.
    **
    Am Montagmorgen treffen Alena und ich uns noch vor der Schule beim Bäcker, um Croissants für die Pause zu kaufen, und während wir das letzte Stück des Weges gemeinsam gehen, spüre ich endlich wieder fast die alte Nähe zu meiner Freundin. Auf den letzten Metern gesellen sich andere Mitschüler zu uns, als unbeschwerte Runde kommen wir am Schulgebäude an, froh, einander wiederzusehen nach den langen Sommerferien.
    Wann immer ich gefragt werde, was ich den Sommer über unternommen habe, lasse ich Corvin außen vor, erzähle nichts von London, nichts vom Black Hour -Konzert. Als unser Gymnasium vor uns auftaucht, muss ich lächeln. Ich mag unsere Schule, dieses mehr als hundert Jahre alte Gebäude mit verwittertem Stuck an grauen, mächtigen Außenwänden; selbst die inzwischen moderne Einrichtung mit allem technischen Schnickschnack kann nicht von dem Bewusstsein ablenken, dass hier schon unzählige Schülergenerationen vor uns gelernt, geliebt und gelitten haben. In der Mitte des Daches zeigt eine Uhr auf einem breiten Turm schon von Weitem, ob wir es noch pünktlich zur ersten Stunde schaffen.
    »Jaja, unser geliebter Turm«, säuselt Alena, die meinem Blick gefolgt ist. »Bald heißt es hier wieder Klausuren schreiben, in luftiger Höhe und mit extra weit auseinander stehenden Tischen. Freut ihr euch?«
    »Das hat zum Glück noch ein paar Wochen Zeit«, erwidert Oleg, einer der größten und kräftigsten Jungs unseres Jahrgangs, ähnlich breitschultrig wie Manuel, mit stoppelig geschnittenem blondem Haar und vielen Sommersprossen, »Die Klausuren sind ja erst im Herbst dran, wenn der Frühnebel zu uns nach oben steigt und die Fledermäuse im Dachboden Unterschlupf suchen.«
    »Hör auf«, bremse ich ihn schnell. »Ich will noch nicht an die kalte Jahreszeit denken, die kommt sowieso viel zu schnell.«
    »In der Türkei ist es immer noch warm, wenn wir hier schon frieren«, jammert Büsra, die mit Alena und mir den Englisch-Leistungskurs besucht.
    Der Unterrichtsraum unseres Kurses ist derselbe geblieben, wie eine Kuhherde zu ihrem Stall laufen wir wie von selbst hin, zwei Treppen aufwärts, dann den Hauptgang entlang zur dritten Tür. Es ist schon aufgeschlossen, und alle nehmen ihre alten Plätze ein, einige Jungen stöhnen, schon jetzt ist alles wie immer, der Kreidegeruch, die Merkplakate an den Wänden, das Whiteboard hinter dem Lehrerpult. Nur unsere Tutorin Frau Bollmann fehlt noch.
    Ich merke, dass ich mich sogar auf sie ein wenig zu freuen beginne, und Alena, die in Englisch neben mir sitzt, flüstert mir zu, dass es ihr ebenso ergehe. Fast alle Mädchen mögen diese Lehrerin; Franziska Bollmanns engagierte, wenn auch etwas sachliche Art motiviert uns immer wieder dazu, im Unterricht unser Bestes zu geben, und nicht

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