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Schwarze Stunde

Schwarze Stunde

Titel: Schwarze Stunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Feher
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Körper tragen die gleichen Narben. Liebe mich, wo immer du bist.
    Jetzt ist es zwischen uns wieder so. Dieser Zauber, genau wie im Flugzeug. Die ganze Zeit habe ich darauf gewartet, hatte befürchtet, mir alles nur eingebildet zu haben. You’ve been looking for someone to believe in, to love you until your eyes run dry. Ich glaube an ihn, an uns. Und sein Blick verrät mir, ihm geht es genauso. Ohne es zu ahnen, haben wir einander gesucht und uns gefunden.
    Plötzlich spüre ich Blicke im Nacken und wage nicht, mich umzudrehen. Schnell löse ich meine Augen von Corvin und starre in meinen Text, verhaspele mich beim Singen. Von vorn dreht sich Fiona zu mir um, ihr Blick trifft mich wie ein vergifteter Pfeil. Alena legt ihren Kopf auf meine Schulter. Corvin verspielt sich, wechselt den Griff einen halben Takt zu spät, errötet, im selben Moment wird die Tür des Musikraums von außen aufgestoßen. Manuel stürmt herein, das Türblatt schlägt gegen die Wand, er bleibt stehen und starrt uns an, schwankt leicht, versucht sich an der Türklinke festzuhalten. Bitte lass ihn nicht schon wieder getrunken haben, flehe ich im Stillen, nicht schon an diesem Vormittag, dem ersten, an dem er wieder zur Schule kommt. Corvin hört auf zu spielen und starrt ihn irritiert an, er kennt ihn ja noch nicht. Ich kann mir denken, was Manuel jetzt gleich abziehen wird. Er wird irgendetwas grölen, er hätte schon gehört, was für ein gefährlicher Frauentyp der neue Lehrer sei und dass er zum Liebeslieder-Singen ja genau richtig gekommen wäre, wird geräuschvoll den letzten freien Stuhl, der noch an der Wand gelehnt hat, über den Boden schurren, bis zu mir; sich dann darauf fallen lassen und mir einen zu nassen, Besitz ergreifenden Kuss auf die Lippen pressen. Es ist mir jetzt schon peinlich; ich wende mein Gesicht ab, während alle anderen ihn noch anstarren.
    Aber er tut nicht, was ich erwartet habe. Manuel wirkt kleiner als sonst, fast schüchtern, als er beinahe lautlos zu dem freien Stuhl schleicht, Corvin nur kurz zunickt und gleich sein Schreibzeug aus dem Rucksack holt. Erst als wir weitersingen, streift mich sein Blick, und zum ersten Mal erkenne ich, dass seine Liebe einer manischen Besessenheit gewichen ist. Den ganzen Rest der Stunde lang starrt er mich fast unaufhörlich an. Als es zur Pause klingelt, steht er als Erster auf und verlässt wortlos den Raum, schiebt mir im Vorbeigehen einen zusammengefalteten Zettel in die Hand. Im allgemeinen Aufstehen und Gemurmel, ein wenig verdeckt von den anderen, schaue ich nach.
    Du wirst schon sehen, was du davon hast , steht darauf.

9.

    D ie ersten beiden Schulwochen habe ich fast überstanden, aber seit Manuel wieder zur Schule gekommen ist, habe ich keine Ruhe mehr, obwohl wir nur wenige Stunden gemeinsam Unterricht haben. Wenn er im selben Klassenraum sitzt wie ich, beobachtet er mich, mit unbewegtem Gesicht, in den Pausen macht er sich meist unsichtbar und verunsichert mich gerade dadurch noch mehr, ständig habe ich das Gefühl, er sei mir auf den Fersen, wo immer ich mich auch aufhalte. Manchmal unterhält er sich leise mit Oleg oder Patrick und scheint dabei durch mich hindurchzusehen, doch ich spüre genau, dass er jede meiner Bewegungen registriert. Ich versuche, den Kontakt zu ihm zu meiden, so gut es geht. Immerhin hat Alena es aufgegeben, ihn mir einreden zu wollen.
    »Du hat dich verändert, seit das neue Schuljahr angefangen hat«, sagt Alena mir eines Tages auf den Kopf zu. Wir gehen nebeneinander von unserem Klassenraum zur Turnhalle hinüber, mir graut schon jetzt davor, dass wir wieder an den Geräten turnen müssen, Leichtathletik im Freien wäre mir lieber, denn das Wetter ist immer noch sonnig und nicht mehr so heiß wie noch vor ein paar Tagen.
    »Was meinst du damit?«, frage ich sie und versuche, so beiläufig wie möglich zu klingen, obwohl mir der Magen nach unten sackt und ich trocken schlucken muss. Krampfhaft halten meine Hände die Sportsachen umklammert.
    »Du wirkst manchmal so strahlend, dann wieder so nachdenklich und still. Neulich zum Beispiel, als wir in Musik Wire To Wire gesungen haben. Da bist du voll drin aufgegangen, obwohl es gar kein Song von deinen geliebten Black Hour war. Du hast Schwarze beim Singen richtig angeschmachtet.«
    »Quatsch. Es ist eben einer meiner Lieblingssongs. Mit Schwarze hat das nichts zu tun.«
    »Bist du sicher? Fiona und Yuki ist es aber auch aufgefallen.«
    »Das sagen die Richtigen«, kontere ich. »Die

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