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Schwarze Stunde

Schwarze Stunde

Titel: Schwarze Stunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Feher
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starre ich an die Decke, noch immer unfähig, mich zu bewegen. Höre auf das Rauschen der Bäume am Straßenrand, die vorbeifahrenden Autos von der entfernten Hauptverkehrsstraße. Vermute Schritte vor unserem Haus bei jedem Knirschen, das von unten an meine Ohren dringt, bei jedem Knacken der Zweige. Fühle mich beobachtet, obwohl ich ganz sicher allein im Zimmer bin. Es genügt der Gedanke, jemand könne mich absichtlich geweckt haben und stellt sich nun vor, wie ich hier liege, Panik schiebe und nicht mehr einschlafen kann, ich glaube, genau das wird mir die ganze Nacht lang nicht mehr gelingen.
    Gerade als ich nach dem Wasserglas greife, das wie immer auf meinem Nachttisch steht, fahre ich erneut zusammen. Jemand wirft Kieselsteine gegen meine Fensterscheibe, eindeutig. Und derjenige wirft gut, immerhin wohnen wir im dritten Stock. Corvin kann es nicht sein, zu groß wäre die Gefahr, von meinen Eltern entdeckt zu werden. Nie werde ich so einschlafen können. Ich muss wissen, wer es ist. Geräuschlos schleiche ich ans Fenster und versuche, durch den kleinen Spalt zwischen der Jalousie und dem Fenstersturz nach unten zu spähen, ohne mich durch eine Bewegung zu verraten.
    Eine dunkle Gestalt bewegt sich zwischen zwei dicht gewachsenen Eiben vor dem Nachbarhaus, um gleich darauf in der Toreinfahrt zu verschwinden. Ich kann nicht erkennen, wer es ist, es ist zu dunkel, es ging zu schnell und mein Blickwinkel war ungünstig. Vielleicht war der Typ groß, vielleicht hatte er eine dunkle Kapuze auf, vielleicht auch nicht. Ich lege mich wieder hin, meine Hände und Füße brauchen lange, ehe sie unter der Bettdecke wieder warm werden. Mein Handy vibriert und leuchtet auf, Lehrerliebchen steht in der SMS . Ich schalte es aus und ziehe mir die Decke über den Kopf, wie ich es als Kind zuletzt getan habe.
    »Wo gehst du eigentlich in letzter Zeit immer hin?«, fragt meine Mutter am nächsten Morgen beim Frühstück geradeheraus. Es ist Samstag und wir sitzen alle drei am Tisch. Keiner muss weg, wir haben es uns gemütlich gemacht, der Tisch ist sogar mit Servietten und Blumen gedeckt, frische Brötchen duften in dem geflochtenen Weidenkorb, den wir schon hatten, als ich noch ganz klein war.
    Ich verschlucke mich fast an meinem Kaffee, ein wenig tropft auf meine Jeans, rasch nehme ich den Fleck mit der Serviette auf, konzentriert nach unten auf meine Schenkel blickend. Zeit gewinnen, Zeit gewinnen. Ich bin noch nicht richtig wach nach dieser unheimlichen Nacht, erst im Morgengrauen konnte ich in einen leichten Schlummer finden, richtiger erholsamer Tiefschlaf war das nicht mehr. Irgendwann hörte ich meine Mutter in der Küche mit dem Geschirr klappern und meinen Vater im Korridor mit der Bäckertüte knistern; da war die Nacht vorbei. Irgendetwas muss ich sagen, mich darauf konzentrieren, eine glaubwürdige Story zu erfinden. Nicht auch noch hier mich rechtfertigen müssen, nicht zu Hause, dem einzigen geschützten Ort! Doch es gibt keinen geschützten Ort mehr, ich habe die heutige Nacht nicht geträumt. Irgendwie schaffe ich es, mich zusammenzureißen, ich muss.
    »Was meinst du denn? Wann denn zum Beispiel?«, frage ich zurück. »Ich komme doch immer pünktlich nach Hause.«
    »Das ja«, gibt Mama zu, »und ich weiß auch, dass du nicht mehr jeden Schritt, den du gehst, mit deinen Eltern besprechen willst. Jetzt wäre das auch albern, wo du in ein paar Wochen achtzehn wirst. Aber es fällt mir auf, dass du oft gegen Abend noch schnell verschwindest, ohne zu sagen wohin. Auch ohne allzu sehr nachbohren zu wollen, macht dein Verhalten den Eindruck, als würdest du bewusst etwas vor uns verheimlichen.«
    »Bewusst kann man das nicht nennen«, murmele ich.
    »Sondern?«
    Ich wische ein paar Brötchenkrümel von meinem Schoß, tupfe mir den Mund mit meiner Serviette ab, dann blicke ich auf. Die Blicke meiner Eltern sind prüfend auf mich gerichtet, sie werden nicht vom Tisch aufstehen, bis ich ihnen eine Antwort gegeben habe, die sie zumindest einigermaßen zufriedenstellt. Sie meinen es gut, sie machen sich nur Sorgen, sie haben keine Ahnung davon, welche Stürme in mir toben, in welche Gefahr ich gerade zu rutschen scheine, unaufhaltsam und immer tiefer, nur weil ich jemanden liebe, unerschütterlich und von Tag zu Tag mehr. Ich bin nicht sicher, ob sie mich verstehen würden.
    »Mit Alena zur Fahrschule«, stottere ich und picke mit dem Finger Krümel von meinem Teller. »Neulich war ich mal als Gast in einer

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