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Schwarze Stunde

Schwarze Stunde

Titel: Schwarze Stunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Feher
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wisst, wie ungern ich im Mittelpunkt stehe.«
    Und das, wo seit Wochen die Aufmerksamkeit aller wie Laserpointer auf mich gerichtet ist. Ich wünschte, ich wäre unsichtbar.
    Die nächsten Tage verlaufen überraschend ruhig. Corvin und ich verabreden uns nur an einem einzigen Abend, und auch das nur kurz auf ein paar eilige, aber dennoch tiefe Küsse in seinem Auto, das er vor einem Friedhof geparkt hat.
    »Stört es dich gar nicht, dass wir keinen Sex haben?«, frage ich ihn, als wir uns voneinander lösen. »Für dich als Mann ist es doch sicher nicht einfach, darauf zu verzichten.«
    Statt einer Antwort vergräbt Corvin seinen Mund in meiner Halsbeuge.
    »Eines Tages werden wir frei sein«, murmelt er und lässt seine Lippen über meine Haut an dieser Stelle wandern. »Und dann feiern wir es richtig, Valerie. Du und ich – das ist nicht wie bei anderen Paaren. Mit dir soll es etwas ganz Besonderes werden, und deshalb warten wir, bis es das Richtige ist. Bis es uns niemand mehr verbieten kann.«
    »Du nimmst dir auch keine andere bis dahin?«
    Er hebt den Kopf, sieht mir in die Augen und grinst.
    »Die anderen find ich alle doof«, antwortet er, und wir lachen. Dann küssen wir uns wieder, bis ich nach Hause muss.
    Manuel hat tatsächlich in den Englisch-Leistungskurs gewechselt. Er sitzt an der Fensterseite und hat den ganzen Tag das Licht im Rücken.
    »Er beobachtet dich die ganze Zeit«, flüstert Alena, und es stimmt. Fast ohne Unterbrechung spüre ich seine Blicke auf mir, und immer, wenn ich zu ihm hinsehe, senkt er schnell die Lider oder wendet sich ab. Aber es geschieht nichts; er tut nichts, um mich oder Corvin bloßzustellen, in den Pausen sucht er sogar wieder öfter meine Nähe, um mit mir ein paar belanglose Worte zu wechseln, über den Unterrichtsstoff, die anderen Fächer, Tratsch aus dem gemeinsamen Freundeskreis, die neuesten Charts. Keine ironischen Anspielungen, kein Zur-Rede-Stellen, nur immer diese Blicke, die allein nicht ausreichen, um ihm etwas vorzuwerfen.
    Bei Frau Bollmann arbeitet er mit, so gut er kann, meldet sich zum Vorlesen, schreibt Vokabeln an die Tafel. Seine Aussprache ist nicht gut, er beherrscht nicht mal das th, und wenn andere deswegen grinsen, ballt er seine Hände in den Hosentaschen zu Fäusten, ich sehe es genau. Doch auch hier bleibt er äußerlich ruhig.
    Heute jedoch ist schon den ganzen Morgen lang eine kaum greifbare Unruhe im Englisch-Leistungskurs spürbar. Corvins erste Lehrprobe steht an. Schon vor der Stunde steckte Frau Bollmann ihren Kopf zur Tür herein und ordnete an, dass wir hinten im Raum eine Stuhlreihe für acht Personen aufstellen sollten, gleich würden der Direktor, Herrn Schwarzes Seminarleiterin und einige andere Gäste an der Stunde teilnehmen. Sofort stehe ich auf und helfe, auch Alena schnappt sich zwei Stühle, Yuki und Fiona übernehmen den Rest. Aus dem Augenwinkel sehe ich Manuel, Patrick und Oleg leise miteinander flüstern, alle drei sehen zu mir hin und lachen lautlos, es entgeht mir auch nicht, dass Fiona ihnen zuzwinkert.
    »Komisch, dass das mit den Stühlen vorher noch keiner von euch gemacht hat«, bemerkt Frau Bollmann und kommt mit eiligen Schritten herein, um eine benutzte Kaffeetasse von gestern und ein paar lose Blätter vom Lehrertisch zu entfernen, das Datum an die Tafel zu schreiben und Kreide aus der Schublade zu holen. Anders als sonst trägt sie heute eine edle Bluse und ist einen Hauch stärker geschminkt, sie wirkt strenger, die Absätze ihrer schwarzen Stiefeletten pochen über den Linoleumboden, als wolle sie uns mit jedem Schritt ermahnen, uns anzustrengen, damit ihr Referendar keine schlechte Beurteilung bekommt.
    Kurz nach ihr tritt Corvin ein, auch er in neuen schwarzen Jeans und einem hellgrauen Oberhemd. Carla eilt auf ihn zu, nimmt ihm den Stapel einsprachiger Wörterbücher ab, den er auf den Armen trägt, und verteilt sie auf den Tischen. Corvin legt seine Unterrichtsmaterialien bereit und öffnet ein Fenster, Frau Bollmann streicht immerzu um ihn herum, legt ihre Hand auf seine Schulter, seinen Arm, raunt ihm leise etwas zu, das ich nicht verstehe, sicher sind es Ermutigungen für den Unterricht, trotzdem versetzt es mir einen Stich. Auch ich hätte jetzt gern noch kurz mit ihm gesprochen, ihm gutes Gelingen gewünscht. Jeder im Raum weiß das, aus allen Ecken und von jedem Platz aus sind die Blicke wieder auf mich gerichtet, tja, Valerie, Pech gehabt.
    »Toi, toi, toi, Herr Schwarze!«, ruft Fiona hinter

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