Schwarze Themse
Würde â wieder einmal â ein Viertel der englischen Bevölkerung sterben?
Er sah ihr Entsetzen. »Sie sollten es mir besser sagen, Miss Hester«, sagte er plötzlich in freundlichem, vertraulichem Ton.
Sie wusste nicht, was sie sonst tun sollte. Monk konnte sie nicht erreichen, Rathbone ebenso wenig. Selbst Callandra war fort. »Pest«, flüsterte sie.
Eine Sekunde lag Unverständnis in seiner Miene, dann lähmendes Entsetzen. »Grundgütiger! Sie meinen doch nicht â¦Â« Er wies auf seine Achselhöhle.
Hester nickte. »Beulen. Der schwarze Tod. Sutton, was soll ich nur tun?« Sie schloss die Augen und betete zu Gott, dass er nicht davonlief und sie allein lieÃ.
Er lehnte sich gegen den Holzzuber, auch ihm waren die Beine schwach geworden. Alle Farbe war aus seinem Gesicht gewichen, im Kerzenlicht wirkte es kränklich gelb, und er rutschte langsam nach unten, bis er auf dem Boden saÃ.
»Gott steh uns bei!«, hauchte er. »Also, erstens sollten wir es niemandem sagen, wirklich niemandem! Dann dürfen wir niemanden rauslassen. Es breitete sich aus wie« â er lächelte bitter, die Stimme blieb ihm fast im Hals stecken â »wie die Pest!«
Tränen liefen Hester über das Gesicht, und es dauerte mehrere Sekunden, bis sie versiegten und Hester ihre Atmung wieder so weit unter Kontrolle hatte, dass sie nicht mehr keuchte und japste. Er würde ihr helfen. Er hatte »wir« gesagt und nicht »Sie«. Sie nickte. »Ich möchte, dass sie eine anständige Beerdigung bekommt, aber es darf niemand ihren Leichnam sehen. Keine andere Krankheit führt zu solchen dunklen Schwellungen. Jeder, der sie sieht, würde es sofort wissen.«
Er rieb sich mit dem Handballen über die Wange. »Wir müssen es um jeden Preis geheim halten«, sagte er heiser. »Wenn die Leute es erfahren, werden sie das Haus stürmen, Fackeln reinwerfen und alles niederbrennen, das Haus mit allem und jedem darin! Nicht vorstellbar.«
»Es wäre besser, als dass sich die Pest überall in London ausbreitet«, meinte sie.
»Miss Hester â¦Â«
»Ich weiÃ! Ich habe nicht die Absicht, mich bei lebendigem Leib verbrennen zu lassen! Aber wie können wir die Leute daran hindern, das Haus zu verlassen? Wie soll ich Claudine aufhalten, wenn sie nach Hause gehen will, oder Ruby oder die anderen kranken Frauen, wenn es ihnen besser geht, falls â¦Â«
Ihre Stimme schwankte wieder. »Woher soll ich Essen kriegen, Wasser, Kohlen ⦠und so weiter?«
Er schwieg mehrere Sekunden.
Hester wartete. In der Waschküche war es seltsam still. Es roch nach Fett und Pottasche und dem Dampf, der früher am Tag darin aufgestiegen war. Die eine Kerze mit ihrem gelben Kreis aus Licht lieà die Dunkelheit endlos erscheinen.
»Wir müssen sicherstellen, dass niemand das Haus verlässt«, sagte Sutton schlieÃlich. »Ich habe Freunde, die helfen können, aber das wird kein Zuckerlecken.« Er schaute sie aufmerksam an. »Es ist ernst, Miss Hester. Niemand darf raus, um keinen Preis. Hier ist kein Platz für âºtut mir Leidâ¹. Wenn Sie Recht haben, und sie das wirklich hatte, dann riskieren wir besser, dass es hier ein paar Tote gibt, die raus wollten, als dass halb Europa stirbt, weil wir sie rauslassen.«
»Was können wir denn tun?«, fragte Hester.
»Ich habe Freunde mit Hunden, nicht so nette kleine Rattenfänger wie mein Snoot hier, sondern Pitbullterrier, die ihnen die Kehle zerreiÃen würden. Ich werde sie bitten, um das Haus zu patrouillieren, vorne und hinten. Die sorgen schon dafür, dass niemand das Haus verlässt. Und ich trommle natürlich Freunde zusammen, die Lebensmittel, Wasser und Kohle bringen. Und wir erzählen überall rum, die Klinik sei voll belegt, sodass Sie keine Frauen mehr aufnehmen können, egal, was ihnen zugestoÃen ist.«
»Wir können niemanden bezahlen«, sagte sie. »Und wir können ihnen nicht sagen, warum!«
»Sie tunâs, wenn ich sie darum bitte«, antwortete er. »Sie helfen den Leuten hier. Ich sage ihnen einfach, es sei Cholera. Das wird reichen.«
Sie nickte. »Würden ⦠würden wir wirklich die Hunde auf jemanden hetzen? Ich meine ⦠ich glaube nicht â¦Â«
»Das wird nicht nötig sein«, antwortete er. »Darum kümmere ich
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