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Schwarze Themse

Schwarze Themse

Titel: Schwarze Themse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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rufen?
    Wenn sie das tat, würden die ganz sicher als Erstes Flo verdächtigen, weil Ruth sie beschuldigt hatte, eine Diebin zu sein. Aber auch Mercy Louvain hatte sich mit Ruth gestritten, ebenso wie Claudine Burroughs. Das bewies nichts, außer dass Ruth eine sehr schwierige und undankbare Person gewesen war.
    Würden sie die Klinik schließen? Was würde dann mit den kranken Frauen geschehen? Das war genau das, was die Behörden zum Anlass nehmen würden, um ihrer Arbeit hier ein Ende zu setzen. Aber selbst wenn sie die Polizei davon überzeugen konnte, die Einrichtung nicht zu schließen, wer würde noch kommen? An einen Ort, wo kranke, hilflose Frauen in ihren Betten ermordet wurden? Die Nachricht würde sich ausbreiten wie ein Feuer – schädlich, beängstigend und zerstörerisch  – und Panik erzeugen.
    Wenn Monk doch nur nicht mit der Lösung eines Falls beschäftigt wäre, dann hätte sie ihn so diskret hinzuziehen können, dass nur Margaret gewusst hätte, warum er da war. Aber Margaret war im Augenblick nicht hier. Bessie zu fragen hatte wenig Sinn, sie würde keinen Rat wissen und sich nur grundlos ängstigen.
    Squeaky konnte sie sich nicht anvertrauen. Er war hilfsbereit, solange es ihm passte und er keine wirkliche Alternative hatte. Aber das hier konnte er als perfekte Gelegenheit nutzen, sein Bordell wieder an sich zu reißen und sie genauso raffiniert dranzukriegen, wie sie es mit ihm gemacht hatte. Hatte er Ruth deswegen umgebracht? Nein – das war absurd. Sie verlor schon vollkommen den Verstand.
    Sutton würde wiederkommen. Er würde das Problem verstehen und fand vielleicht sogar einen Weg, ihr zu helfen. Es
war auf jeden Fall gut, so viel wie möglich herauszufinden. Vielleicht entdeckte sie hier etwas, was ihr verriet, wer zuletzt im Zimmer gewesen war. Jeder machte die Betten auf eigene Weise, faltete Laken anders oder räumte Dinge unterschiedlich weg, bis hin zu den Kleidern der Kranken.
    Hester richtete sich auf und trat wieder an das Bett. Gab es überhaupt etwas, was sie durch Beobachtung feststellen konnte? Das Bettzeug war zerknittert, aber Ruth hatte im Fieber die Laken stets zerwühlt. Das bedeutete nichts. Sie suchte den Boden ab und schaute nach den Laken, die fest am Fußende des Betts eingesteckt waren, links über rechts geschlagen. Wahrscheinlich Bessies Arbeit. Sie untersuchte alles, was ihr noch einfiel. Die Tasse Wasser stand auf einem kleinen Stück Pappe, so wie Claudine es gebracht hatte, damit auf dem Holz kein Ring zurückblieb. Daran hätte Flo nicht gedacht. All das sagte Hester jedoch nichts.
    Sie musste den Leichnam waschen und ihn für den Leichenbestatter vorbereiten. Vielleicht sollte sie Clement Louvain Bescheid geben? Die Familie wollte sie sicher beerdigen, und er würde wissen, wie sie zu erreichen war. Mercy konnte ihm gewiss eine Nachricht überbringen? Wie es Mercy erging? Hester musste vorsichtig sein mit dem, was sie den anderen Frauen sagte und wie sie es formulierte.
    Sie ging nach unten und holte eine Schüssel Wasser. Dass es ziemlich kalt war, spielte keine Rolle, Ruth würde es nichts ausmachen. Es ging nur darum, sie zu waschen und ihr ein wenig Würde zu geben, eine Geste der Menschlichkeit.
    Sie tat es allein. Es war nicht notwendig, jemanden hinzuzuziehen, und sie wusste noch nicht, was sie den anderen sagen würde. Vorsichtig schlug sie die Bettdecke zurück und zog Ruth das Nachthemd aus. Eine schwierige Aufgabe, vielleicht hätte sie doch jemanden bitten sollen, ihr zu helfen. Bessie würde es nichts ausmachen, sie hatte schon andere tote Frauen gewaschen und dabei zwar Mitleid an den Tag gelegt, aber keine Angst.

    Ruth hatte einen schönen Körper gehabt, durch die Krankheit ein wenig abgemagert, aber es war gut zu erkennen, wie sie einst ausgesehen hatte. Ihr Körper war immer noch fest und wohlgeformt, bis auf einen merkwürdig dunklen Schatten unter der rechten Achselhöhle, der ein wenig wie ein blauer Fleck aussah. Merkwürdig, dass sie nichts von einer Verletzung gesagt hatte. Vielleicht war es ihr peinlich gewesen.
    Unter dem anderen Arm fand Hester noch einen, allerdings weniger ausgeprägt.
    Hesters Herz pochte unregelmäßig, und das Zimmer schien zu schwanken. Sie bekam kaum Luft, und ihr Puls schlug so laut, dass ihr schwindlig wurde. Sie schob Ruth ein wenig zur Seite und sah, was sie mit so großer

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