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Schwarze Themse

Schwarze Themse

Titel: Schwarze Themse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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antwortete Hester ohne Zögern. »Möchten Sie es mit mir sagen?«
    Claudine war verdutzt.
    Â»Ich weiß nicht, was!«
    Â»Wie wäre es mit dem Vaterunser?«
    Claudine nickte. Zusammen sagten sie langsam und ein wenig heiser die vertrauten Worte auf. Dann faltete Claudine der toten Frau die Hände, und Hester ging Sutton holen, damit er ihnen half.
    Er war in der Waschküche, wo er Snoot dafür belohnte, dass er ein Rattennest gefunden hatte. Er schaute auf, als Hester hereinkam. Seine Miene war ernst und erwartungsvoll. Er sah Hester Gesichtsausdruck. »Tot?«, fragte er. »Arme Seele. Wer weiß es?«
    Â»Nur Claudine und ich«, antwortete sie.
    Â»Gut. Wir sollten sie vor Tagesanbruch rausschaffen.« Er richtete sich auf. »Leg dich schlafen, Snoot. Guter Junge. Du bleibst hier, wie ich dir gesagt habe.« Er wandte sich wieder zu Hester um. »Ich sag den Männern, sie sollen sie wegtragen.
Tut mir Leid, aber wir müssen sie in ein Laken einwickeln. Ich weiß, dass sie die Tücher eigentlich nicht entbehren können, aber es gibt keine bessere Möglichkeit. Höchstens eine Decke, wenn Sie eine dunkle hätten? Die sieht man auch nicht so leicht.«
    Â»Ich suche Ihnen eine dunkelgraue Decke«, versprach sie. »Aber was wollen Sie mit ihr machen. Sie kann nicht einfach ... ich meine, sie muss beerdigt werden.« Sie dachte an die stille, erbärmliche Angelegenheit, als sie Ruth Clarks Leichnam nach draußen gebracht und auf die regennassen Pflastersteine gelegt hatten, damit die Männer sie in ein unbekanntes Grab legten. Sie hatte nicht gefragt, wohin, es war mehr, als sie wissen wollte.
    Kein Arzt hatte Ruth zu sehen bekommen, und es durfte auch keiner Martha sehen, nicht einmal ein Leichenbestatter: Er würde die zerfetzte Kehle sehen und glauben, sie sei umgebracht worden. Ironie, dass sie nicht umgebracht worden war, zumindest moralisch gesehen nicht. Ruth war umgebracht worden, aber oft vergaß Hester das viele Stunden lang, und sie hatte sich bislang noch kaum mit der Frage beschäftigt, wer es getan hatte oder warum. Jetzt war die arme, dumme, verängstigte Martha an der Reihe. Unter der Oberfläche waren sie alle nahe daran, in Hysterie auszubrechen. Hester fuhr sich mit der Zunge über die Lippen, die so trocken waren, das es wehtat. »In geweihter Erde?«, fragte sie vorsichtig. »Ist das wohl möglich? Ich ertrage den Gedanken nicht, dass sie einfach irgendwo verscharrt wird.«
    Â»Machen Sie sich keine Sorgen«, sagte Sutton freundlich. »Ich habe Freunde, die so etwas besorgen können. Es gibt Gräber in Friedhofsecken, in denen mehr Tote liegen als Namen auf den Steinen stehen. Die Toten scheren sich nicht darum, ein bisschen zusammenzurücken. Man wird sie segnen und auch für sie beten. Und auch für Ruth Clark.«
    Hester spürte Tränen in den Augen brennen, und die Last aus Erschöpfung, Einsamkeit, Mitleid und Angst überwältigte
sie. Suttons Freundlichkeit spitzte diese Gefühle fast über das Erträgliche hinaus zu. Sie wollte ihm danken, aber die Kehle war ihr wie zugeschnürt.
    Er nickte, sein Gesicht im Kerzenschein hohlwangig. »Gehen Sie eine Decke suchen«, sagte er.
    Claudine half ihr, den Leichnam auf die Decke zu rollen und das behelfsmäßige Leichentuch einzuschlagen und mit ein paar Stichen zuzunähen, damit es sich nicht aufwickelte und verhedderte, wenn sie hastig und ungeschickt weggetragen wurde. Sie sprachen nicht, aber alle paar Augenblicke begegneten sich ihre Blicke, und in diesem schweigenden Einvernehmen bewegten sie sich wie ein Mensch und halfen einander.
    Squeaky kam wieder die Treppe herauf, und dann trugen die drei den Leichnam mit stolpernden Schritten, unbeholfen und mit schmerzendem Rücken zur Hintertür und in den Hof hinaus. Hester hob die Hand, um den Männern ein Zeichen zu geben. Im schwachen Licht der Straßenlaternen zwanzig Meter weit weg sahen sie groß und ungepflegt aus, ihre Mäntel flatterten im aufkommenden Wind, sie waren barhäuptig, und das Haar klebte ihnen am Kopf. Der Regen ließ ihre Haut in den unnatürlichen Schatten fast maskenartig glänzen. Sie winkten Hester und Claudine zu, warteten jedoch, bis die beiden wieder im Haus waren, bevor sie näher kamen.
    Sutton ging allein hinaus und sprach mit den Männern.
    Der größere der beiden nickte und gab seinem Gefährten ein

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