Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schwarze Themse

Schwarze Themse

Titel: Schwarze Themse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
Vom Netzwerk:
Zeichen. Vorsichtig hoben sie den Leichnam hoch, drehten sich ohne ein weiteres Wort um und gingen langsam in den Regen hinaus. Sie gingen aufrecht und balancierten das Gewicht zwischen sich, als wären sie an solche Aufgaben gewöhnt.
    Hester und Claudine standen in der Tür so nah nebeneinander, dass ihre Körper sich berührten, und sahen zu, wie die Männer unter der Straßenlaterne hindurchgingen. Einen Augenblick wurde der Regen über ihnen beleuchtet wie ein heller Strom. Dann schimmerte er matt auf ihren Rücken, als sie wieder
in die Dunkelheit tauchten. Der Karren am Ende der Straße war im Schatten kaum zu erkennen.
    Niemand sprach ein Wort. Es war nicht notwendig, und es gab nichts zu sagen. In wenigen Stunden würde ein neuer Tag beginnen.

12
    Rathbone besuchte Gould im Gefängnis, weil er es Monk versprochen hatte. Er erwartete, einen Mann anzutreffen, den zu verteidigen er moralisch verpflichtet war, nicht um des Mannes willen oder weil er von der Überzeugung geleitet wurde, er sei unschuldig, sondern weil er diese Pflicht übernommen hatte. Als er sich verabschiedete, war er geneigt, Goulds Geschichte zu glauben, dass Hodge zwar tot, aber nicht offensichtlich verletzt war, als er auf ihn gestoßen war. Er räumte freimütig ein, das Elfenbein gestohlen zu haben, aber seine Empörung über den Mordvorwurf klang aufrichtiger, als Rathbone erwartet hatte.
    Jedenfalls blieb nach dem Gespräch mit dem Leichenbestatter, der Hodge beerdigt hatte, kein Zweifel, dass dieser einen fürchterlichen Schlag auf den Schädel bekommen hatte. Der Schlag hatte ihm den Hinterkopf zertrümmert und vermutlich seinen Tod herbeigeführt. Der Leichenbestatter hatte getan, um was man ihn gebeten hatte, und Hodge beerdigt, da ihm sowohl Louvain als auch Monk versichert hatten, dass alle Beweise unter Eid schriftlich niedergelegt worden waren und den entsprechenden Behörden übergeben werden würden. Der Täter würde gesucht und, wenn gefunden, der Justiz überstellt.
    Rathbone kehrte in sein Büro zurück, wo er überlegte, welche Wege ihm offen standen. Damit war er beschäftigt, als Coleridge ihn informierte, dass Monk vor der Tür stehe. Es war kurz nach halb neun am Morgen.

    Â»Jetzt?«, fragte er ungläubig.
    Coleridges Miene blieb bemüht ausdruckslos. »Ja, Sir. Ich glaube, er macht sich auch Sorgen um den Fall.« Er hatte keine Ahnung, um was für einen Fall es sich handelte, und so übergangen zu werden, kränkte ihn. Er hätte es auch gerne gesehen, wenn Rathbone erkannt hätte, dass Monk nicht der Einzige war, der bemerkenswert viele Stunden am Tag arbeitete.
    Â»Ja, natürlich«, räumte Rathbone ein. Er hatte nicht die Absicht, Coleridge zu sagen, um was es in dem Fall ging, das würde er erst dann tun, wenn es absolut unvermeidlich war. Und selbst dann würde er ihm nur anvertrauen, was er vor Gericht vorbringen würde, und ihm nicht sagen, warum diese ungewöhnliche Schweigsamkeit notwendig war. Aber Coleridge hatte es verdient, rücksichtsvoll behandelt zu werden. »Ganz sicher«, sagte er auf Monk bezogen. »Es ist eine ernste Angelegenheit. Würden Sie ihn bitte hereinführen?«
    Â»Soll ich Tee bringen, Sir Oliver? Mr. Monk sieht sehr« – er suchte nach den richtigen Worten – »danach aus, als könnte er eine Tasse vertragen«, beendete er den Satz.
    Rathbone lächelte. »Ja, bitte. Sehr aufmerksam von Ihnen.«
    Coleridge zog sich besänftigt zurück.
    Einen Augenblick später trat Monk ein, und Rathbone sah sofort, was Coleridge gemeint hatte. Monk trug die gleichen Kleider wie bei seinem letzten Besuch, und sein Gesicht war noch hohlwangiger, als hätte er seither weder etwas gegessen noch richtig geschlafen. Er betrat das Büro und schloss die Tür hinter sich.
    Â»Coleridge kommt in ein paar Minuten mit dem Tee wieder«, warnte Rathbone ihn. »Haben Sie schon jemanden von der Mannschaft gefunden? Sie müssen es ihnen sagen, selbst wenn Sie sie gewaltsam festhalten müssen. Sie können sie nicht in die Klinik bringen, oder?«
    Â»Wir haben sie noch nicht gefunden«, antwortete Monk mit vor Erschöpfung leiser, krächzender Stimme. »Nicht einen. Sie
können überall im ganzen Land sein oder bereits wieder auf einem Schiff, das Gott weiß wohin segelt.« Er blieb stehen. Rathbone bemerkte, wie angespannt er war.

Weitere Kostenlose Bücher