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Schwarze Themse

Schwarze Themse

Titel: Schwarze Themse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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Berührung und sehnte sich danach, sich an ihm festhalten zu können, aber das wäre ihm wahrscheinlich peinlich gewesen. Sie war hier, um die Einrichtung zu leiten, nicht um sich Trost suchend an andere zu wenden, als hätte sie genauso viel Angst wie sie. Sie mochten es vermuten, aber sie durften es nicht wissen.
    Schweigend saß sie noch einen Augenblick da und zwang sich, ruhig und gleichmäßig zu atmen und die Tränen zurückzudrängen. Dann hob sie den Kopf und trank ihren Tee.
    Zehn Minuten später ging sie wieder nach oben, um nach Mercy zu sehen. Sie sprach immer wieder mit ihr, auch wenn sie nicht sicher war, ob Mercy sie überhaupt hörte oder gar verstand. Sie erzählte ihr alles Mögliche: vergangene Erfahrungen
und Erlebnisse, etwa das erste Weihnachten auf der Krim und die Schönheit der eingeschneiten Landschaft unter dem Vollmond. Sie beschrieb auch andere Dinge und schöpfte, nur um irgendetwas zu sagen, wahllos aus ihren Erinnerungen.
    Ein- oder zweimal schlug Mercy die Augen auf und lächelte. Hester konnte sie dazu bewegen, ein paar kleine Schlucke Bouillon zu trinken, aber sie war sehr schwach. Wie sie so lange durchgehalten hatte, war Hester ein Rätsel, denn sie musste große Schmerzen gehabt haben.
    Hester dankte ihr für alles, was sie getan hatte, vor allem aber für ihre Freundlichkeit und für ihre Freundschaft. Und sie lobte sie, hoffte sie doch, dass sie zumindest ein wenig davon mitbekam. Am Spätnachmittag schien sie fast eine Stunde lang ruhigen Schlaf zu finden.
    Am Abend ging Hester hinunter, um nachzusehen, wie es den anderen ging und ob sie genug Wasser, Lebensmittel und Seife hatten. Zudem wollte sie eine neue Kerze holen. Ihr Kopf schmerzte, ihre Augen brannten vor Müdigkeit, und ihr Mund war trocken. Sie wollte eben wieder nach oben gehen, als sie merkte, wie der Raum vor ihren Augen verschwamm und aus ihrem Gesichtsfeld glitt. Unmittelbar darauf verlor sie das Gleichgewicht und sank taumelnd in vollkommene Dunkelheit. Nur undeutlich bekam sie mit, dass sie auf der linken Seite aufschlug.
    Als sie die Augen öffnete, sah sie als Erstes einen geschwärzten Fleck an der Decke, dann Claudines Gesicht, aschfahl vor Angst und mit Tränen auf den Wangen.
    Panische Angst, die so stark war, dass sich alles um sie drehte, ergriff sie, als sie sich an den Augenblick erinnerte, in dem sie in Mercys Armbeuge die harten Beulen ertastet hatte. Hatte da der gleiche Ausdruck auf ihrem Gesicht gelegen wie jetzt bei Claudine? Das war das Ende. Sie hatte sich ebenfalls angesteckt und würde Monk nie wiedersehen.
    Sutton hockte neben ihr, den Arm um sie geschlungen, und
hielt ihr den Kopf ein wenig hoch. Snoot drückte sich an ihn und wedelte mit dem Schwanz.
    Â»Sie haben nicht das Recht, jetzt schon aufzugeben«, meinte Sutton bissig. »Es gibt auch keinen Grund dazu! Sie sind nicht krank, Sie sind nur verrückt!« Er schluckte. »Tut mir Leid, wenn ich zu vertraulich werde, aber unter Ihren Armen ist nichts. Sie sind einfach zu erschöpft, um in dem Tempo weiterzumachen!«
    Â»Was?«, murmelte sie.
    Â»Sie haben nicht die Pest!«, zischte er ihr ins Ohr. »Sie haben nur einen Anfall von Hypochondrie, wie jede anständig erzogene Dame ab und zu! Claudine bringt Sie ins Bett, und dort bleiben Sie, bis man Ihnen sagt, dass Sie wieder aufstehen dürfen. Wir schicken Sie quasi auf Ihr Zimmer. Hat Ihre Mama das nicht mit Ihnen gemacht, wenn Sie ungezogen waren?«
    Â»Auf mein Zimmer ...« Hester wollte kichern, aber sie hatte keine Kraft dazu. »Aber Mercy …«
    Â»Die Welt hört nicht auf, sich zu drehen, nur weil Sie sie nicht mehr anstoßen«, sagte Sutton empört, aber seine Hand war sanft und sein Blick so freundlich, wie wenn er den kleinen Hund hätschelte. »Tun Sie einfach ein einziges Mal, was man Ihnen sagt!«, fuhr er sie an, und seine Stimme brach plötzlich. »Wir haben nicht die Zeit, Sie alle fünf Minuten vom Boden aufzuheben!« Er wandte sich rasch ab, denn er war bis über beide Ohren rot geworden.
    Claudine bückte sich und half ihr auf. Sie hielt sie so fest, dass Hester nicht fallen konnte, selbst wenn ihre Knie unter ihr nachgegeben hätten. Zusammen stiegen sie die Treppen hinauf. Auf dem Treppenabsatz trafen sie auf einen entsetzten Squeaky Robinson.
    Â»Machen Sie nicht so ein Gesicht, Sie dämlicher Nichtsnutz!« Claudine warf ihm

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