Schwarze Themse
einen wütenden Blick zu. »Sie ist nur müde! Wenn Sie sich nützlich machen wollen, dann gehen Sie in den Hof Wasser holen! Und wenn keines da ist, sagen Sie den verfluchten Männern, sie sollen gefälligst welches beschaffen.
« Ohne abzuwarten, ob er ihren Worten Folge leisten würde, schob sie Hester ins Schlafzimmer und hievte sie aufs Bett. »Und jetzt schlafen Sie!«, befahl sie ihr wütend. »Tun Sieâs einfach! Ich kümmere mich um alles.«
Hester gab den Kampf auf. Sie war der Meinung, sie habe »Danke« gesagt, wusste aber nicht, ob das Wort nicht doch nur durch ihren Kopf geschwirrt war.
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Sie wachte erschrocken auf. Das einzige Licht im Zimmer stammte von der Kerze auf dem kleinen Tisch neben dem Bett. Im Licht der Flamme sah sie Margaret auf dem Stuhl sitzen, die sie ein wenig ängstlich ansah, aber lächelte.
Hester schüttelte den Kopf und versuchte, ihre Gedanken zu ordnen. Sie setzte sich langsam auf und blinzelte, aber Margaret war immer noch da. Entsetzen wallte in ihr auf. »Sie können unmöglich â¦!«
»Nein, habe ich auch nicht.« Margaret verstand sie sofort. Sie beugte sich vor und berührte Hesters Arm. »Und Sie auch nicht. Sie waren einfach nur erschöpft. Sie kommen wieder auf die Beine.«
»Man hätte es Ihnen nicht sagen sollen!«, empörte Hester sich und versuchte, sich aufzusetzen. Die Angst um Margaret löschte alle anderen Gedanken aus.
Margaret schüttelte den Kopf. »Das haben sie auch nicht. Ich bin hier, weil ich Sie nicht länger allein lassen wollte.« Sie sagte es ganz einfach, ohne Beteuerung von Moral oder Freundschaft. Es war einfach eine Tatsache.
Hester lächelte breit und lehnte sich wieder in die Kissen. Wärme durchflutete sie, und für diesen einen Augenblick weigerte sie sich, über den Moment hinauszudenken.
Später saÃen sie bei Toast und Marmelade und einer Tasse Tee zusammen, und Hester erzählte Margaret, was inzwischen alles passiert war.
»Es tut mir Leid wegen Mercy«, sagte Margaret leise. »Ich habe sie gemocht. Es ist ein schreckliches Opfer. Sie ist so jung
und hatte das Leben noch vor sich. Zumindest ...« Sie runzelte die Stirn. »Ich weià eigentlich nur, dass sie die Schwester von Clement Louvain ist. Man neigt dazu zu denken, wenn jemand aus guter Familie stammt und einen mehr als angenehmen Anblick bietet, wäre er automatisch auch glücklich. Das ist dumm, wirklich dumm. Sie kann allen möglichen Kummer haben, von dem wir nichts wissen.« Sie versank in Gedanken, und ihre Miene verriet mehr als einen Schatten von Schmerz.
Hester wusste, dass es nur eine Sache gab, die Margaret solchen Kummer bereiten konnte. Zwischen den von der Liebe, Enttäuschung und Einsamkeit im Herzen verursachten Schmerzen und der Angst vor irgendeinem anderen Unheil lagen wirklich Welten. In diesen letzten Tagen war Hester umso klarer geworden, dass die Leidenschaft, die Zärtlichkeit und vor allem die Kameradschaft des Herzens und des Geistes die Geschenke waren, die allem anderen Licht und Bedeutung verliehen oder es dessen beraubten.
»Oliver?«, fragte sie leise.
Margarets Augen weiteten sich, und sie errötete. »Bin ich so leicht zu durchschauen?«
Hester lächelte. »Für eine andere Frau schon.«
»Er hat mich gebeten, seine Frau zu werden«, sagte Margaret leise und biss sich auf die Lippen. »Ich hatte darauf gewartet und davon geträumt, und es war genauso, wie es sein sollte.« Sie stieà ein wehmütiges, verwirrtes kleines Lachen aus. »AuÃer dass nichts richtig stimmte, denn wie hätte ich in diesem Augenblick in eine Ehe einwilligen und mich abwenden können, um Sie hier mit allem alleine zu lassen? Was denkt er denn von mir, dass er mich überhaupt fragt?«
Hester beobachtete Margarets Miene. »Was haben Sie gesagt?«
Margaret holte tief Luft. »Dass ich nicht könne, natürlich. Ich habe ihm erklärt, dass ich hierher gehen würde. Er wollte mich daran hindern, zumindest ein Teil von ihm. Die Krankheit ⦠macht ihm schrecklich Angst ...« Sie sagte es zögernd,
als verrate sie etwas Vertrauliches, und doch war sie froh, es jemandem anvertrauen zu können.
»Ich weiÃ.« Hester lächelte. »Er ist nicht vollkommen. Es kostet ihn all seinen Mut, nur daran zu denken, ganz zu schweigen davon, einem Kranken nahe zu
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