Schwarze Themse
selbst auf die Antwort kommen, kann ich sie Ihnen auch geben. Dann sterben Sie daran, Punkt. Genau wie wir anderen auch.«
»Das würde Ihnen gefallen, was!«, fuhr er sie an und warf ihr
einen wütenden Blick zu, wie sie mit hoch erhobenem Kopf, tadelloser Frisur und die Hände in die Hüften gestemmt an der Tür stand.
»Das würde mir natürlich nicht gefallen!«, keifte sie zurück. »Wenn Sie tot sind, muss ich das ganze Wasser alleine schleppen, statt nur den GroÃteil wie im Augenblick. Abgesehen davon, wer sollte Sie raustragen?«
»Sie sind kalt und herzlos«, sagte er jämmerlich. »Und Sie tragen auch nicht den GroÃteil des Wassers, sondern nur die Hälfte, genau wie ich.«
»Na, dann können wir uns auch das Gewicht der armen toten Frau teilen«, befahl sie ihm. »Nein, Sie fassen oben an, nicht unten!«
»Warum?«
»Natürlich weil sie oben schwerer ist. Jetzt benutzen Sie doch mal Ihren Verstand, Mann.«
»Arme Frau, was?«, feixte er. »So haben Sie sie vor ein paar Tagen aber noch nicht genannt. Da war kein Schimpfwort hässlich genug, denn sie hat sich ihren Lebensunterhalt in der Horizontalen verdient, wie die meisten hier. Sie verachten sie, dabei würden Sie selbst nicht mal ânen halben Penny verdienen, nicht mal im Dunkeln!«
Hester erstarrte und stellte sich darauf ein, sich dazwischen zu werfen, wenn Claudine sich gegen diese Beleidigung wehrte.
Aber die blieb vollkommen ruhig. »Legen Sie mir nichts in den Mund, Sie dummer kleiner Mann«, sagte sie müde. »Packen Sie einfach nur mit an und helfen Sie mir, sie die Treppe runterzutragen. Und zwar würdevoll! Sie ist kein Bündel Schmutzwäsche, das man hinwerfen kann.«
Squeaky gehorchte. »Das hört sich jetzt aber ganz anders an, was? Dann sind die Nutten von der StraÃe also wieder in Ordnung, wenn sie nur tot sind, hä?« Er bückte sich, packte das Bündel ungefähr da, wo die Schultern der toten Frau sein mussten, und schwankte ein wenig unter dem Gewicht.
»Hat schlieÃlich wenig Sinn, die Toten zu kritisieren, oder?«,
reizte Claudine ihn. »Jetzt muss Gott sich mit der armen Seele rumschlagen.«
Squeaky stieà einen schrillen Kraftausdruck aus. »Noch muss ich mich mit ihr rumplagen, und wenn es mir die Därme zerreiÃt, weil sie so schwer ist! Haben Sie da ein paar Bleiziegel mit eingewickelt?«
»Um Himmels willen, Mann!«, explodierte Claudine. »Gehen Sie in die Knie! Drücken Sie den Rücken durch! Was ist los mit Ihnen? Haben Sie noch nie was Schweres aufgehoben?« Sie stieà einen aufgebrachten Seufzer aus und griff nach den FüÃen der toten Frau. »Und ab jetzt!«, befahl sie.
Squeaky tat es ihr genau nach, die Lippen vor Konzentration zusammengekniffen, und hob das andere Ende des Leichnams hoch. Er ging verhältnismäÃig vorsichtig zu Werke, zögerte und überlegte offenkundig, ob er sich bei ihr bedanken sollte, und kam gnädigst zu dem Schluss, es sei wohl angebracht. »Ja!«, sagte er. »So gehtâs wirklich besser!«
»Jetzt aber los!«, sagte Claudine ungeduldig. »Worauf warten Sie noch, auf eine Runde Beifall?«
Er warf ihr einen wütenden Blick zu und bewegte sich rückwärts durch den von Kerzen beleuchteten Flur in Richtung Treppe.
Hester folgte ihnen und warnte Squeaky, als dieser kurz vor der Treppe stand und es so aussah, als würde er jeden Augenblick rückwärts hinunterfallen.
»Sie Narr!«, schimpfte Claudine wütend, wahrscheinlich, weil sie nicht selbst daran gedacht hatte, ihn zu warnen.
»Ich weià nicht, warum wir überhaupt Sutton und seinen verdammten Hund brauchen!«, geiferte Squeaky ungehalten. »Sie haben ein Mundwerk wie âne Rattenfalle! Sie könnten leicht die ganzen Ratten im Haus fangen! Vielleicht ist es das, was mit Ihnen nicht stimmt! Sie haben zu viele verdammte Ratten verschluckt!«
»Hören Sie auf zu jammern und tragen Sie die arme Frau runter«, erwiderte Claudine, anscheinend ungerührt.
Squeaky riss sich zusammen und tastete sich rückwärts die Treppe hinunter. Claudine bewegte sich vorsichtig, achtete darauf, dass er nicht das Gleichgewicht verlor, ging langsam, wartete, wenn notwendig, und krittelte auch nicht weiter an ihm herum. Als sie unten ankamen, sagte sie Squeaky, in welche Richtung er gehen sollte, und wenn er sich
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