Schwarze Themse
geleistet.«
»Ja, in der Tat.« Sie schüttelte ihm die Hand, dann lieà sie sie los und ging die Stufen hinauf. Sie musste klopfen oder ihren Schlüssel suchen. Hatte Rathbone nicht gesagt, Monk sei zu Hause, oder entsprang das nur ihrem Wunschdenken? Wie absurd, wenn er jetzt nicht zu Hause wäre!
Die Tür ging auf, als hätte Monk Ausschau nach ihr gehalten. Er stand in der Halle, dünn und aschfahl, aber seine Augen strahlten vor Glück, und er brachte kein Wort heraus.
Rathbone hatte es so geplant â das wusste sie jetzt â, aber es blieb keine Zeit, an ihn zu denken. Sie flog direkt in Monks Arme und klammerte sich so fest an ihn, dass er sicher ein paar blaue Flecken davontragen würde. Sie spürte, dass er zitterte und sich mit solcher Leidenschaft an ihr festhielt, dass sie kaum atmen konnte. Seine Tränen benetzten ihre Wangen.
Es war der Rattenfänger, der leise die Tür schloss und sie allein lieÃ.
14
Monk stand im fahlen Morgenlicht im Schlafzimmer und blickte auf Hester, die noch schlief. Er wäre gerne geblieben und ihr einfach so nah wie möglich gewesen. Er hätte gerne gewartet, bis sie aufwachte, egal, wie lange es dauerte, und unten Feuer gemacht, ohne an die Kosten für das Brennmaterial zu denken. Er würde das Zimmer für sie heizen und ihr bringen, was sie wollte, erst einmal Tee und Toast, und dann würde er in den Regen hinausgehen und das kaufen, was sie mochte. Und wenn sie dann so weit war, würde er mit ihr über alles reden, ihr alles sagen, was ihm wichtig war, um über die wenigen nackten Tatsachen hinaus, die sie ihm von der Zeit in der Portpool Lane berichtet hatte, noch mehr zu erfahren. Er wollte die Einzelheiten hören, was sie bei all den Siegen und auch im Schmerz gefühlt hatte, denn er wollte ihr noch näher sein.
Aber der Fall Louvain war noch nicht abgeschlossen. Da waren nicht nur die drei Männer von der »Maude Idris«, die unauffindbar waren, er musste Louvain auch persönlich gegenübertreten.
Vorher wollte er jedoch noch einer Idee nachgehen. Er hatte
nichts über die vermissten Besatzungsmitglieder herausfinden können. Hodge war der Einzige, von dem er wusste, dass er verheiratet war. Vielleicht war es aufdringlich, seine Witwe jetzt aufzusuchen, aber es war doch durchaus möglich, dass Hodge ihr früher einmal etwas über die vermissten Männer erzählt hatte: von einer Frau, einem Ort, irgendetwas, was helfen konnte, sie zu finden.
Er ging nach unten und reinigte unbeholfen den Rost. Die Arbeit ging ihm nicht leicht von der Hand, und am Ende musste er mehr sauber machen, als er erwartet hatte. Dann schichtete er neues Holz auf und zündete es an. Als es ordentlich zog, drosselte er ein wenig die Luftzufuhr, damit es länger brannte. Die Kohleneimer füllte er bis zum Rand und schrieb Hester eine Nachricht, die schlicht und ergreifend besagte, dass er sie liebte. Zu jedem anderen Zeitpunkt hätte er das lächerlich gefunden, aber heute kam es ihm ganz selbstverständlich vor. Befangenheit überkam ihn erst, als er den Zettel auf den Tisch gelegt hatte und mit hochgeschlagenem Mantelkragen in der Tür stand. Er lächelte einen Augenblick und trat dann hinaus in Regen- und Graupelschauer.
Er hatte keine Ahnung, wo Hodges Witwe wohnte, aber er konnte in Louvains Büro nach der Adresse fragen. Vielleicht wussten es auch der Arzt oder der Leichenschauhauswärter, und er konnte sich auch dort erkundigen, denn mit Louvain hatte er noch viel zu viele andere Dinge zu klären: den Tod seiner Schwester, die Frage, wo seine vermisste Mannschaft abgeblieben war, und seine abgrundtiefe Wut darüber, dass er Charity Bradshaw genau deshalb zu Hester gebracht hatte, weil er gewusst hatte, dass sie an der Pest erkrankt war, um Monk manipulieren zu können. Er wagte gar nicht, darüber nachzudenken. Die Gefühle, die dann in ihm aufwallten, raubten ihm den Verstand und jegliches Urteilsvermögen. Er wollte mit eigenen Händen so lange auf Louvain einprügeln, bis er nur noch ein einziger blutiger Klumpen war und nicht mal mehr um Gnade winseln konnte. Diese blinde Wut jagte ihm
jedoch Angst ein, sie weckte alte Erinnerungen an eine andere Raserei, die in Mord geendet hatte, und nur durch Gottes Gnade war nicht er zum Mörder geworden.
Also machte er sich auf den Weg zum Leichenschauhaus und ging wieder die UferstraÃe entlang, als
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