Schwarze Themse
Schwester oder gar unser Mann ist!«
»Halte ich auch für wahrscheinlicher«, stimmte Hester ihr zu und hoffte, dass das Wasser bald kochte. Eine heiÃe Tasse Tee würde sie wärmen, bevor sie durchs Haus ging und die Bettwäsche zum Waschen einsammelte und ihre Gedanken der Frage zuwandte, worauf sie zurückgreifen konnten, wenn Margaret keinen Erfolg hatte. Sie wollte ihren Kopf beschäftigen, denn sonst wäre sie in Gedanken schnell bei dem Thema, wie Monk wohl in dem tosenden Regen auf den Docks zurechtkam, wo er nach Beweisen suchte, die er womöglich nicht einmal als solche erkannte, wenn er sie in Händen hielt.
»Natürlich«, erwiderte Bessie. »Stecken den Kopf in den Kohlenkeller und erzählen der Welt, es sei niemand da, nur weil sie nichts sehen können! Du meine Güte! Sind sie dumm, oder haben sie vor Angst den Verstand verloren?«
Hester erwiderte nichts darauf.
Sie war oben und bezog die Betten frisch, um sich gleich ans Waschen der Bettwäsche zu machen, als Bessie etwa zwei Stunden später wieder heraufgestampft kam.
»Ich bin hier!«, rief Hester und ging zur Tür.
»Noch eine Kranke, noch so ein armes Huhn«, sagte Bessie freundlich. »Sieht aus wie der Tod an einem schlechten Tag. Sie zu erschieÃen wär ân Akt der Gnade.« Sie ergriff eine Haarsträhne, die sich gelöst hatte, und steckte sie hinters Ohr. »Ich hab mich wohlgemerkt zeitweise auch schon so gefühlt. Es dauert nicht ewig, es fühlt sich nur so an. Aber sie hat einen Burschen dabei, der sehr nett gefragt hat, gut angezogen und alles. Und er sagt, er zahlt uns, was es kostet, wenn wir uns um
sie kümmern, und legt noch was drauf.« Sie lauerte erwartungsvoll auf Hesters Billigung.
Hester hatte Mitleid mit der Frau, aber unwillkürlich empfand sie eine Welle der Erleichterung, dass in dieser Minute jemand mit Geld im Haus war â kein Versprechen, sondern richtiges Geld. »Gut!«, sagte sie begeistert. »Gehen wir zu ihm. Wer immer er auch ist, er ist an den richtigen Ort gekommen!« Damit folgte sie Bessie die Treppe hinunter ins Vorderzimmer.
Der Mann stand da und blickte ihnen entgegen. Er war ziemlich groÃ, nicht ungewöhnlich breit, aber stark und geschmeidig. Sein hellbraunes Haar war dick und leicht gewellt, aber kürzer geschnitten als bei den meisten Männern und aus der Stirn gekämmt. Seine Haut war wettergegerbt, die blauen Augen kniff er wie zum Schutz gegen das grelle Licht zusammen.
»Mrs. Monk?« Er trat vor. »Ich heiÃe Clement Louvain. Ich habe gehört, dass Sie hier groÃartige Arbeit leisten für StraÃenmädchen, die krank geworden sind. Bin ich richtig unterrichtet?«
Louvain! Sie war sich nicht sicher, ob sie zeigen sollte, dass ihr der Name etwas sagte. »Sie sind richtig unterrichtet worden«, antwortete sie, äuÃerst neugierig, warum er mit einer Frau hierher gekommen war, die offensichtlich sehr krank war. Selbst bei dem flüchtigen Blick, den Hester ihr bisher hatte zuwerfen können, sah sie fürchterlich aus. Sie war einer Ohnmacht nahe, wie sie da so auf der Couch saÃ, und hatte nicht einmal den Kopf gehoben, um Hester oder Bessie anzuschauen. »Wir helfen allen, denen wir helfen können, insbesondere wenn sie kein Geld haben, um einen Arzt zu bezahlen«, erklärte sie Louvain.
»Geld ist kein Problem«, entgegnete er. »Ich zahle gerne alles, was Sie angemessen finden, wie ich bereits sagte. Und eine Spende, damit Sie sich auch um andere kümmern können. Ich vermute, so etwas wäre sehr willkommen? Die Menschen sind schwer zu überzeugen, wenn sie sich mit einem hübschen moralischen
Urteil entschuldigen können.« In seinen Augen flackerte bitterer Sarkasmus auf, und er wusste, dass Hester genau verstand, was er meinte. Er sprach mit ihr wie mit seinesgleichen, zumindest was die Ironie anging.
»Es wäre willkommen«, sagte sie und erwärmte sich für seine Klugheit und seinen trockenen Witz. »Ohne Geld können wir niemandem helfen.«
Er nickte. »Was wäre angemessen?«
Sie dachte schnell nach. Sie durfte es nicht zu hoch veranschlagen, sonst würde er sich ärgern und sich weigern, überhaupt etwas zu zahlen, aber sie wollte so viel wie möglich, zumindest genug, damit sie sich gut um die Frau kümmern konnten, sie ordentlich ernähren, ihr saubere Laken und die Medikamente
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