Schwarze Themse
Segel waren daran festgebunden. Die Rümpfe der Schiffe waren nicht zu unterscheiden, auÃer durch ihre GröÃe, alles andere blieb undeutlich und war kaum mehr als Schemen: keine SchieÃscharte, keine Galionsfiguren, kein Spantenwerk.
Monk hatte tags zuvor einiges erfahren, aber das meiste hatte nur unterstrichen, wie sehr sich der Fluss von der Stadt unterschied und dass Monk ein Fremder war, dem niemand etwas schuldete, sodass er sich jetzt auf nichts berufen konnte.
Gestohlen wurde aus vielerlei Gründen: Weil die Menschen die Dinge für sich selbst haben wollten, weil sie sie an andere weiterverkaufen konnten, um den Besitzer zu berauben, auch, um etwas zu vernichten, was gefährlich war â etwa Briefe oder Schuldscheine â, oder einfach nur aus Hass oder um jemanden zu bestrafen. Nur zwei dieser Gründe schienen ihm im Fall von Louvains Elfenbein in Frage zu kommen. Der Dieb konnte es verkaufen, um Gewinn zu machen, oder er lag in Streit mit Louvain und hatte es gestohlen, um diesem das Leben schwer zu machen. Womöglich wusste er, dass Louvain es bereits einem bestimmten Käufer versprochen hatte.
Monk musste mehr über die Hehlerei mit Diebesgut auf dem Fluss herausfinden und â fast noch dringender â über Louvain selbst, seine Freunde, seine Feinde, seine Schuldner und Gläubiger, seine Konkurrenten.
Am Tag zuvor war ihm auch klar geworden, dass er sich nicht einfach ohne einen triftigen Grund, der keinen Anlass zu Gerede bot, auf den Docks herumtreiben konnte. Also hatte er sich wie ein besser gestellter Mann gekleidet, der so harte Zeiten durchmachte, dass er hierher gekommen war, um Arbeit zu suchen. Er hatte am Tag zuvor mehrere solche Männer bemerkt und deren Verhalten und Sprache eindringlich genug studiert, um sie nachzuahmen. Er trug gute Stiefel, die seine FüÃe trocken hielten, eine alte Hose und eine schwere Jacke gegen den Wind. Um seinen Kopf zu schützen und sein Auftreten zu maskieren, hatte er sich eine gebrauchte Mütze gekauft und einen Wollschal und Fausthandschuhe, in denen er bei der Arbeit seine Finger bewegen konnte.
Er fand einen Karren, an dem heiÃer Tee verkauft wurde, und erstand einen Becher. Es gelang ihm, mit ein paar anderen Männern ins Gespräch zu kommen, die auf einen Tag Arbeit
zu hoffen schienen, wenn in Kürze mit dem Löschen begonnen wurde. Sorgsam achtete er darauf, nicht den Eindruck zu vermitteln, er würde ihren Platz in der Schlange einnehmen wollen.
»Was für eine Fracht gibt es heute?«, fragte er, trank einen Schluck heiÃen Tee und spürte, wie dieser die Kehle hinunterrann und ihn von innen wärmte.
Der gröÃere der beiden Männer wies aufs Wasser. »Die âºCardiff Bayâ¹ da unten«, antwortete er und zeigte auf einen Fünfmaster, fünfzig Meter den Fluss hinunter. »Kommt vom Chinesischen Meer. Weià nicht, was sie geladen haben, aber sie sind sicher wild drauf, es an Land zu schaffen.«
Der andere Mann zuckte die Schultern. »Könnte Teakholz aus Burma sein«, sagte er unglücklich. »Verdammt schweres Zeug und überhaupt. Oder Gummi, Gewürze, vielleicht auch Seide.«
Monk blickte weiter hinaus, wo ein weiterer Schoner vor Anker lag, ein Sechsmaster.
»Die âºLiza Jonesâ¹?« Der erste Mann zog die Augenbrauen hoch. »Südamerika, hab ich gehört, Brasilien. Weià nicht, obâs stimmt. Könnte auch âne Ladung Schweinefutter sein. Was bringen sie von Brasilien, Bert?«
»Keine Ahnung«, antwortete Bert. »Holz, Kaffee? Vielleicht Schokolade? Für uns machtâs keinen Unterschied. Ist alles schwer und unhandlich. Jeden Tag sage ich mir, nie mehr im Leben schleppe ich das verdammte Zeug, und jede Nacht friere ich dermaÃen, dass ich den Teufel huckepack tragen würde nur für ein Feuer und ein Dach über dem Kopf.«
»Ja ⦠und überhaupt«, stimmte sein Freund ihm zu. Er warf Monk einen warnenden Blick zu. »Wer zuerst kommt, mahlt zuerst, ja? Vergessen Sie das nicht, dann passiert Ihnen auch nichts. AuÃer, Sie fallen ins Wasser, oder irgendein Idiot lässt Ihnen âne Fuhre auf den Fuà fallen.« Die Drohung in seinen Worten war so deutlich wie das grelle Licht auf dem Wasser.
In Wahrheit hatte Monk nicht den Wunsch, beim Löschen
Knochenarbeit zu leisten, aber er durfte nicht unglaubwürdig erscheinen, sonst erregte er
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