Schwarze Themse
Misstrauen. »Das wäre sehr dumm«, bemerkte er.
Sie setzten ihr Gespräch fort, unterhielten sich über Waren aus der ganzen Welt: Indien, Australien, Argentinien, die wilden Küsten Kanadas, wo die Tide, wie berichtet wurde, innerhalb weniger Stunden um vierzehn Meter stieg oder fiel.
»Je zur See gewesen?«, fragte Bert neugierig.
»Ne«, antwortete Monk.
»Dachte ich mir.« Seine Miene zeigte wohlwollende Geringschätzung. »Ich schon. Hab die Fieberdschungel Mittelamerikas gesehen, und im Leben würde ich da nicht mehr hingehen. Hat mich zu Tode geängstigt. Würde mir eher die Mitternachtssonne oben in Norwegen und in der Arktis anschauen. Erfrieren geht schnell. Hab da oben mal ânen Typen über Bord gehen sehen. Haben ihn rausgezogen, aber da war er schon tot. Die Kälte. Schneller und sauberer als Fieber. Wenn ich mir Gelbfieber einfangen würde, täte ich mir eher die Kehle durchschneiden, als darauf zu warten, dass ich daran sterbe.«
»Das kannste laut sagen«, stimmte sein Freund ihm zu.
Sie plauderten noch eine Weile. Monk hätte gerne nach Diebesgut gefragt und wo es verkauft wurde, aber er durfte keinen Verdacht erregen. Sie blickten aufs Wasser, als eine Barkasse vorbeifuhr, und es war nicht zu übersehen, dass die Stauer ein paar Kohlestücke in das Wasser stieÃen, das bei der nächsten Ebbe flach genug sein würde, dass die Dreckspatzen sie fanden und aufhoben. Niemand machte eine Bemerkung. So war das Leben. Aber in Monks Kopf rührte es einen Gedanken auf. Konnte das Elfenbein auf diese Weise fortgeschafft worden sein, indem man es im Dunkeln einfach von der »Maude Idris« auf die Barkassen, die flussauf- oder flussabwärts unterwegs waren, gestoÃen hatte? Es würde nur ein paar Augenblicke dauern, die Beute unter Segeltuch zu verbergen. Er musste herausfinden, welche Flussschiffer in der Nacht drauÃen gewesen waren, und der Spur folgen.
Der Vorarbeiter eines der Löschtrupps kam und suchte zwei Männer. Monk war unglaublich erleichtert, dass er nicht drei suchte, aber er trug Enttäuschung zur Schau â wenn auch nicht so groÃe, dass die Männer anfingen, darüber nachzudenken, ob er nicht auf einem anderen Schiff gebraucht werden könnte.
Einen kleinen Botengang zu erledigen konnte er nicht abschlagen, wofür man ihm einen halben Schilling zahlte. In den nächsten zwei Stunden forschte er danach, welche Barkassen nachts unterwegs waren, und erfuhr, dass es nur sehr wenige waren und nur mit der Tide, die um die Zeit von Hodges Tod flussaufwärts geflossen war, auf das morgendliche Hochwasser zu. Gewissenhaft holte er Erkundigungen über sie ein.
Zum Mittagessen kaufte er sich ein Stück heiÃe Pastete, ein Stück Kuchen und noch einen Becher Tee. Es war spät, nach ein Uhr, und er hatte noch nie im Leben dermaÃen gefroren. Keine Gasse in der Stadt, egal, wie frostig oder windig, konnte so ungemütlich sein wie der scharfe Wind, der vom Wasser kam, und das brennende Salz. Seine letzten Fälle, kleinere Diebstähle, bei denen er seine Zeit in Büros und in den Unterkünften der Hausangestellten fremder Leute verbracht hatte, hatten ihn verweichlicht. Das wurde ihm jetzt mit groÃem Verdruss klar.
Er setzte sich auf einen Stoà aus Bauholz und alten Tauen, der ein wenig windgeschützt lag, und begann zu essen.
Er lieà sich die warme Mahlzeit schmecken und hatte die Pastete halb aufgegessen, als er den Schatten neben dem Kistenstapel zu seiner Linken bemerkte, einen kleinen Jungen in einem zerlumpten Mantel und einer über die Ohren gezogenen Tuchmütze. Seine FüÃe waren nackt, schmutzig und blau vor Kälte. Der Junge konnte kaum älter als neun oder zehn Jahre sein. Monk fühlte sich verpflichtet, seine Mahlzeit mit ihm zu teilen. SchlieÃlich würde er etwas zu essen bekommen, wenn er nach Hause kam, und er hatte ein warmes Bett.
»Möchtest du ein Stück Pastete?«, fragte er laut. »Die Hälfte?«
Der Junge sah ihn argwöhnisch an. »Wofür?«
»Also, wenn ich du wäre, würde ich sie essen!«, stieà Monk hervor. »Oder soll ich sie an die Möwen verfüttern?«
»Wenn Sie sie nicht wollen, ess ich sie«, antwortete der Junge schnell, streckte die Hand aus und zog sie rasch wieder zurück, als wäre der Gedanke zu schön, um wahr zu sein.
Monk biss ein letztes Mal in
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