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Schwarze Themse

Schwarze Themse

Titel: Schwarze Themse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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Gewicht von Kohlesäcken den Rücken krümmten, und hoffte zutiefst, dass er nicht zu einer solchen Arbeit Zuflucht suchen musste, um seine Anonymität zu wahren. Er sah die verworrenen Umrisse von Winden und Auslegern, die aus den Frachträumen der Schiffe längsseits der Kais schwerere Lasten bargen. Überall Rufe, das Kreischen der Möwen und das Klatschen des Wassers. Barkassen fuhren in langen Reihen, hoch beladen mit Kohle oder Bauholz. Ein Dreimaster kreuzte zur Brücke hoch. Fähren eilten hin und her wie Weberschiffchen, die Ruder blitzten auf, wenn sie aus dem Wasser kamen und wieder eintauchten.

    Monk sah der Wasserpolizei zu, die so nah am Ufer entlang patrouillierte, dass er die Gesichter der Männer erkennen konnte, als einer sich zu seinem Kollegen herumdrehte und einen Witz erzählte. Beide lachten. Ein Dritter machte eine Bemerkung, und sie riefen ihm etwas zu, was durch das Geplätscher der Wellen nicht zu verstehen war, offensichtlich waren es aber freundliche Worte gewesen.
    Plötzlich fühlte Monk sich auf den Docks isoliert, als spielte das Leben, warm und voller Bedeutung, sich da draußen auf dem Wasser ab, in der Kameradschaft und einem gemeinsamen Ziel. Sie waren bei der Polizei viel mit Warten beschäftigt gewesen, was ihn rasend gemacht hatte, genauso wie die Einschränkungen, die Verantwortlichkeit von Männern mit beschränktem Vorstellungsvermögen und grenzenloser Eitelkeit, manchmal auch die Monotonie. Aber genau diese Grenzen gaben auch Halt und Disziplin. Die Schwäche eines Mannes, die seine Freiheit einschränkte, gab ihm auch Rückendeckung, wenn er verwundbar war, und deckte manchmal seine Fehler. Damals war er intolerant gewesen, jetzt zahlte er den Preis dafür. Er stand auf den Docks und musste alles ganz allein neu lernen, in einer neuen, fremden und bitterkalten Welt, wo nur wenige der ihm vertrauten Regeln galten.
    Am Nachmittag, als seine Beine festgefroren schienen und er merkte, dass er zitterte und sein ganzer Körper völlig verkrampft war, sah er, wie ein Mann auf einen zweiten zutrat und ihn offensichtlich schlecht gelaunt ansprach. Der erste Mann antwortete ihm wütend. Innerhalb weniger Augenblicke brüllten sie sich an. Zwei oder drei Zuschauer gesellten sich dazu und ergriffen entweder für die eine oder für die andere Seite Partei. Der Streit ging hin und her, und es sah aus, als würde er sich zu einem hässlichen Zwischenfall entwickeln. Mehr als ein halbes Dutzend Männer waren inzwischen daran beteiligt, und die aufgeregte Menge drängte sich um eine Gruppe Arbeiter, die Messinggegenstände entluden.
    Monk trat vor, hauptsächlich, um sich die Beine zu vertreten
und wieder ein Gefühl in die Zehen zu bekommen. Niemand achtete auf ihn, alle waren mit dem Streit beschäftigt. Ein Mann holte zu einem ordentlichen Schlag aus und traf einen anderen am Kinn, wodurch dieser rückwärts taumelte und einen dritten Mann umwarf. Ein vierter landete ebenfalls einen Schlag, und schon war ein Handgemenge im Gange. Nur zufällig sah Monk, dass zwei Männer sich daraus lösten und sich mit bemerkenswerter Geschwindigkeit und Gewandtheit vier der Messinggegenstände schnappten und diese seitwärts an einen jungen Mann und eine alte Frau, die sich unter den Zuschauern befanden, weiterreichten. Beide gingen schnell fort.
    Monk ging ebenfalls weg, bevor die Polizei kam, die Streithähne trennte und wieder Frieden herstellte. Er konnte es sich nicht erlauben, inmitten der Menge erwischt zu werden. Solche Diebstähle durch Hafenratten hatte er schon hundertmal zuvor beobachtet, und das Messing würde nie mehr auftauchen. Aber als er am Kai entlang zurück zu Louvains Büro ging, ärgerte er sich über die Tatsache, dass er praktisch vor den Männern davonlief, zu denen er einst gehört hatte. Daran hatte er bitter zu schlucken.
    Er dachte daran, dass er Louvain heute Bericht erstatten musste, und er hatte nichts auch nur annähernd Brauchbares vorzubringen. Die Suche nach Beweisen dafür, dass heimlich Barkassen entladen worden waren, war ergebnislos verlaufen. Er hatte keinerlei Fakten und kaum Schlussfolgerungen zu bieten. Langsam ging er weiter und dachte darüber nach. Überall um ihn herum erklangen die für den Fluss typischen Geräusche, das Klirren von Metall, das Knarren von Holz, das Zischen und Gurgeln des Wassers. Die Tide drehte sich, schwappte

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