Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schwarze Themse

Schwarze Themse

Titel: Schwarze Themse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
Vom Netzwerk:
Dachgesimsen war nichts zu hören.
    Schließlich kamen sie zu einer Türöffnung, über die ein Zeichen gemalt war, und Scuff klopfte. Monk bemerkte, dass seine schmutzige Faust zitterte, und erkannte plötzlich verwundert, dass Scuff Angst hatte. Wovor? Verriet er Monk, damit dieser ausgeraubt werden konnte? Der Gedanke, Callandras Uhr zu verlieren, erschien ihm plötzlich äußerst schmerzlich. Er machte ihn so wütend, dass er nach jedem ausgeholt hätte, der so etwas versucht hätte. Das Geschenk war unermesslich kostbar, Unterpfand einer Freundschaft, die wichtiger war als jede andere, außer die zu Hester. Zugleich symbolisierte es auch Erfolg und Eleganz und machte ihn zu einem Mann, wie er gerne einer sein wollte und der Oliver Rathbone wie seinesgleichen begegnen konnte. Er stand kerzengerade da, jederzeit bereit, sich zu wehren.
    Oder hatte Scuff Angst um sich selbst? Tat er etwas Gefährliches, um seine neue Freundschaft zu festigen? Vielleicht trieb ihn auch eine obskure Art von Ehre, um dem Mann, der ihm heiße Pasteten zu essen gegeben hatte, etwas zu vergelten? Oder einfach nur, um Wort zu halten?

    Die Tür ging auf, und eine große Frau stand vor ihnen, die Hände in die Hüften gestemmt. Ihr rotes Kleid leuchtete im Licht, das aus dem Haus fiel, und auf Lippen und Wangen trug sie rote Farbe.
    Â»Bist du dafür nicht ’n bisschen jung?«, fragte sie und beäugte Scuff müde. »Und wenn du deine Schwester verkaufen willst, dann bring sie her, und ich werfe einen Blick auf sie, aber versprechen tu ich nichts.«
    Â»Ich habe keine Schwester«, sagte Scuff sofort mit piepsender Stimme und verzog das Gesicht vor Ärger über sich selbst. »Und wenn ich eine hätte …«, fügte er hinzu. »Es geht um Miss Lil, ich will sie sehen. Ich habe einen Gentleman dabei, der etwas kaufen will.« Er wies auf Monk, der halb verborgen im Schatten hinter ihm stand.
    Die große Frau starrte ihn an und verzog dabei das Gesicht.
    Monk trat vor. Er überlegte, ob er sie anlächeln sollte, entschied sich aber dagegen.
    Â»Ich suche nach bestimmten Waren«, sagte er übertrieben höflich mit leiser, ruhiger Stimme. Seinen unverwandten Blick ließ er ein wenig bedrohlich wirken.
    Sie regte sich nicht, wollte zunächst etwas sagen, schwieg dann jedoch und wartete.
    Scuffs Gesicht war sehr blass, und er sagte nichts.
    Monk sagte ebenfalls nichts.
    Â»Kommen Sie rein«, sagte die Frau schließlich.
    Ohne eine Vorstellung, was ihn erwartete, folgte Monk ihrer Aufforderung. Scuff blieb auf der Straße zurück. Monk trat durch die Tür in einen schmalen Gang, ging dann eine knarrende Treppe hinauf, an einem Treppenabsatz vorbei, wo Bilder hingen, und betrat einen Raum mit rotem Teppich und tapezierten Wänden. Im Kamin brannte ein munteres Feuer. In einem der weichen roten Lehnstühle saß eine winzige Frau mit einer Stickerei auf dem Schoß, als habe sie daran gearbeitet. Die Arbeit war zu mehr als drei Viertel fertig, und eine Nadel mit einem gelben Seidenfaden steckte darin. Ein Fingerhut
steckte auf ihrem Finger, und die Schere lag neben ihr auf einem Korb mit Seidenknäueln.
    Â»Miss Lil«, sagte die Frau leise. »Da ist jemand für Sie.« Sie trat einen Schritt zurück und ließ ihre Herrin einen Blick auf Monk werfen, damit sie sich ihr eigenes Bild machen konnte.
    Little Lil war mindestens Mitte vierzig und mit Sicherheit einst sehr schön gewesen. Ihre Züge waren immer noch hübsch und regelmäßig. Sie hatte große Augen von einem unbestimmten Braun, aber ihre Kinnlinie war unscharf, und die Haut am Hals hing lose herunter. Ihre kleinen Hände mit den langen Fingernägeln sahen aus wie Klauen. Sie betrachtete Monk mit gründlichem Interesse.
    Â»Kommen Sie rein«, wies sie ihn an. »Sagen Sie mir, ob Sie was haben, was mir gefallen könnte?«
    Â»Goldene Uhren«, antwortete Monk folgsam, denn ihm blieb nun keine Wahl mehr.
    Sie streckte in einer gierigen Geste die Hand aus.
    Er zögerte. Auch wenn es irgendeine goldene Uhr gewesen wäre, hätte es ihm Sorgen bereitet, aber Callandras Uhr war auf andere, unersetzliche Weise kostbar. Er nahm sie langsam aus der Tasche und hielt sie hoch, knapp außer Reichweite ihrer Hand.
    Sie fixierte ihn mit ihren großen Augen. »Vertrauen Sie mir etwa nicht?«, sagte sie mit einem Lächeln, das spitze,

Weitere Kostenlose Bücher