Schwarze Themse
erleichtert er war.
»Haben Sie bekommen, was Sie wollten?«, fragte Gould und tauchte die Ruder ein, um das Boot wieder in die Strömung zu manövrieren. Der Nebel schloss sich um sie und verschluckte das Ufer. Innerhalb weniger Minuten verschwand auch der Rest der Welt, und Monk konnte nichts mehr sehen auÃer Goulds Gesicht und die Umrisse seines Körpers vor der dunklen Nebelwand. Er hörte das Wasser und ab und an ein Nebelhorn und roch das Salz und den Schlamm der schnell strömenden Tide. Es war, als wären Gould und er die einzigen Menschen auf der Welt. Wenn Gould ihn ausraubte und über Bord warf, würde kein Mensch es je erfahren. Es wäre das endgültige Vergessen.
»Ich habe jemandem gegenüber mein Wort gehalten«, antwortete er. Er schaute Gould direkt an, mit der harten, ruhigen Eiseskälte, die sich zu seiner Zeit als Polizist gefühllose Constables,
ja sogar Sergeants zu Eigen gemacht hatten â seine einzige Waffe.
Womöglich hatte Gould genickt, aber im Dunkeln konnte Monk kaum seine Gestalt ausmachen. Nur an dem gleichmäÃigen Vorwärtskommen des Boots war zu merken, dass er noch ruderte. Einige Minuten lang glitten sie schweigend weiter, nur das Plätschern des Wassers war zu hören und in der Ferne ein Nebelhorn.
Aber Gould kannte den Fluss, und Monk wollte die Gelegenheit, etwas von ihm zu erfahren, nicht verstreichen lassen. »Liegen die Boote die ganze Nacht an der Mauer, auch kurz vor Tagesanbruch noch?«, fragte er.
Gould zögerte mit seiner Antwort. »Es sind immer Diebe unterwegs, die auf eine Gelegenheit hoffen«, antwortete er. »Aber wenn Sie nicht wissen, wonach Sie suchen, und gut auf sich aufpassen können, bleiben Sie um die Stunde besser im Bett.«
»Woher wissen Sie das?«, fragte Monk schnell.
Gould kicherte tief in der Kehle. »Vom Hörensagen«, antwortete er, aber das Lachen in seiner Stimme verriet Monk, was er eigentlich meinte.
»Diebe? Gefährlich«, sagte Monk nachdenklich.
Gould amüsierte sich immer noch über Monks Naivität.
»Mit eigenen Booten oder gemieteten?«, fuhr Monk fort. »Oder für eine Nacht gestohlen? Hat jemand mal Ihr Boot gestohlen?«
»Nein!« Gould war empört. Die Frage war beleidigend und kränkte ihn in seiner Ehre als Mann, der auf dem Fluss arbeitete.
»Woher wissen Sie, ob nicht jemand um, sagen wir ⦠drei oder vier Uhr früh Ihr Boot genommen hat?«, fragte Monk zweifelnd.
»Ich weià jederzeit, ob jemand mein Boot hat«, sagte Gould vollkommen überzeugt. »Ich vertäue es mit einem speziellen Knoten, aber um vier Uhr früh bin ich selbst damit unterwegs.«
»Tatsächlich.« Es war weniger eine Frage, als Anerkennung. »Jeden Morgen?«
»Ja ⦠in etwa. Warum? Denken Sie an einen bestimmten Morgen?«
Monk wusste, dass er weit genug gegangen war. Gould kannte wahrscheinlich viele Flussdiebe, womöglich gehörte er sogar als Komplize zu ihnen. Die Frage war, ob Monk wollte, dass seine Suche sich bis zu den Leuten herumsprach, die das Elfenbein gestohlen hatten? Aber wahrscheinlich wussten sie es längst.
Der riesige Rumpf eines Schoners ragte über ihnen auf. Gould machte rasch eine Bewegung mit den Ruder und warf sich mit seinem Gewicht dagegen, um das Boot zu drehen. Monk hielt sich an den Seiten fest und hoffte, dass Gould es im Dunkeln nicht sah. Halb erwartete er, dass ihm jeden Moment kaltes Wasser ins Gesicht spritzte.
Vielleicht war es das Risiko wert. Er konnte sich wochenlang hier herumtreiben und das Thema stets umkreisen, doch wenn er dann endlich dahinter kam, was passiert war, war es zu spät. Wie sollte er überleben, wenn sein Ruf ruiniert war? Er lebte davon, dass andere in ihm den harten Mann sahen, unbarmherzig, erfolgreich, der sich nichts vormachen lieÃ.
»Zwanzigster Oktober«, antwortete er. Und passen Sie auf, wo Sie hinrudern!, wollte er hinzufügen, aber sein Taktgefühl hieà ihn schweigen.
Gould schwieg ebenfalls.
Monk starrte angestrengt nach vorn, konnte das gegenüberliegende Ufer in dieser Nebelwand aber noch nicht sehen, obwohl es nur zwanzig Meter weit weg sein konnte.
»Weià nicht«, antwortete Gould schlieÃlich. »Um die Zeit war ich unten in Greenwich. Nicht hier oben. Wenn ichâs also recht bedenke, kann niemand mein Boot gehabt haben. Was auch immer gemacht wurde, es wurde nicht
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