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Schwarze Themse

Schwarze Themse

Titel: Schwarze Themse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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die darauf wartet, dass man ihr noch eine Portion Sahne serviert. Oder einen Kanarienvogel. Louvain hatte ihn gewarnt, die Gewalttätigkeit eines Raffsacks nicht zu unterschätzen, nur weil es sich um eine Frau handelte.
    Lil schaute zu ihm auf, und ihre großen Augen strahlten vor Erwartung. Sie betrachtete sein Haar, sein Gesicht und die Art, wie er dastand, und registrierte, dass er Schal und Handschuhe abgelegt hatte, bevor er näher getreten war. Das gefiel ihr. »Kommen Sie herein«, befahl sie ihm. »Setzen Sie sich.« Ihr Blick wies auf den Stuhl gegenüber, einen guten Meter von ihrem entfernt.
    Er gehorchte und dankte ihr leise. Sie wandte sich nicht gleich dem Geschäft zu, und er spürte die Hitze des Feuers deutlicher, als ihm klar wurde, was sie tat.
    Â»Hab gehört, Sie wurden mit ’m Messer verletzt«, sagte sie kopfschüttelnd. »Sie müssen auf sich aufpassen. Ein Mann ohne Arm ist eine Gefahr für sich selbst.«
    Â»Kein tiefer Schnitt«, antwortete er. »Ist in ein paar Tagen wieder geheilt.«
    Sie wandte den Blick nicht von seinem Gesicht ab. »Vielleicht sollten Sie nicht allein arbeiten?«
    Er wusste, was sie als Nächstes sagen würde. Noch bevor die Worte ausgesprochen wurden, sah er es in dem Appetit, den ihre Miene verriet. Aber er hatte es herausgefordert, und jetzt gab es kein Entrinnen mehr.
    Â»Der Fluss ist ein harter Ort«, fuhr sie fort. »Sie sollten überlegen, ob Sie sich nicht mit jemandem zusammentun, der Ihnen den Rücken freihält.«

    Er musste so tun, als würde er darüber nachdenken. Vor allem aber musste er ihr ein paar Informationen aus der Nase ziehen. Wenn sie auf Schmeichelei, Aufmerksamkeit und auf weiß der Himmel was noch aus war, dann war das eben der Preis, den er zahlen musste.
    Â»Ich weiß, dass der Fluss gefährlich ist«, stimmte er ihr zögernd zu.
    Sie beugte sich ein wenig vor.
    Er fühlte sich äußerst unwohl, wagte es aber nicht, den Eindruck zu erwecken, er würde sich zurückziehen.
    Â»Sie sollten darüber nachdenken. Überlegen Sie es sich gut«, drängte sie ihn.
    Â»O ja«, erwiderte er heftiger, als sie verstehen konnte. »Es gibt an diesem Flussabschnitt ziemlich viele Menschen, denen ich ungern im Weg stehen würde.«
    Sie zögerte und erwog ihre nächsten Worte sorgfältig. »Dazu haben Sie keine Lust, was?«, provozierte sie ihn.
    Er lächelte breit, denn er wusste, dass ihr das gefallen würde. Er sah das Schimmern in ihren Augen und verbarg ein Frösteln. »Oh, ich mag es, wenn man viel von mir hält«, sagte er, »aber ich möchte es auch erleben.«
    Sie kicherte vor Vergnügen. Es war nur ein leises Geräusch in ihrer Kehle, wie jemand, der einen Katarrh hat, aber ihre Augen sprachen deutlich von ihrer Belustigung.
    Â»Von wem soll ich mich fern halten?«, fragte er schnell.
    Sie zählte mit leiser verschwörerischer Stimme ein halbes Dutzend Namen auf. Zweifellos ihre Konkurrenten. Es würde nicht ausreichen, so zu tun, als glaubte er ihr blind, davor hätte sie keinen Respekt. Er fragte sie also, warum, als brauchte er Beweise.
    Sie umriss ihre Aktivitäten in scheußlichen und malerischen Einzelheiten. Er fragte sich unwillkürlich, ob die Wasserpolizei auch nur annähernd so viel über sie wusste.
    Â»Ich muss Ihnen danken«, sagte er, als er sicher war, dass sie geendet hatte. »Aber man sollte sich nicht nur vor Hehlern in
Acht nehmen. Es gibt auch ein oder zwei Schiffseigner, denen ich nicht über den Weg laufen möchte.«
    Ihre großen Augen blinzelten langsam. »Haben Sie Angst vor ihnen?«, fragte sie.
    Â»Ich würde lieber mit dem Strom schwimmen als dagegen«, antwortete er besonnen.
    Wieder stieß sie ihr merkwürdig tiefes Kichern aus. »Dann gehen Sie Clem Louvain aus dem Weg«, sagte sie. »Und Bert Culpepper. Zumindest so lange, bis klar ist, wer gewinnt.«
    Er spürte ein Prickeln im Nacken. Jetzt durfte er ihr nicht seine Unwissenheit verraten. »Ich setze auf Louvain«, sagte er.
    Sie verzog den Mund zu einem dünnen Strich. »Dann wissen Sie etwas, was ich nicht weiß. Zum Beispiel, wohin sein Elfenbein verschwunden ist? Denn wenn er das nicht vor Ende Oktober zurückbekommt, hat er kein Geld, um seine Schulden zu begleichen. Er wird sein Lagerhaus verlieren und den verdammt großen Klipper nicht bezahlen

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