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Schwarze Themse

Schwarze Themse

Titel: Schwarze Themse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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zum Rand der Treppe und trat die ersten zwei oder drei Stufen hinunter, die ohne Geländer parallel zur Mauer liefen, während dreieinhalb Meter unter ihm das schwarze Wasser wirbelte und gurgelte.
    Zwanzig Meter weiter saß ein Mann untätig an den Rudern. Monk formte mit den Händen einen Trichter um den Mund und rief ihn.
    Der Mann drehte sich halb um, entdeckte Monk und tauchte die Ruder tief ein.
    Â»Ãœbers Wasser?«, fragte er, als er in Hörweite war.
    Â»Ja«, rief Monk.
    Der Mann ruderte näher, und Monk ging die restlichen Stufen hinunter. Mit einem steifen Arm war das gar nicht so einfach, und er musste ihn bewegen, um das Gleichgewicht zu halten. Der Mann beobachtete ihn mit einer gewissen Teilnahme, musste aber beide Hände an den Rudern lassen, um die Kontrolle über das Boot nicht zu verlieren.
    Â»Wohin wollen Sie?«, fragte er, sobald Monk sich gesetzt hatte und den Kragen bis zu den Ohren hochschlug.
    Â»Nur auf die andere Seite«, antwortete Monk.
    Der Mann tauchte die Ruder wieder ins Wasser und krümmte den Rücken. Er sah aus, als wäre er um die dreißig, und hatte ein sanftes, angenehmes Gesicht, die Haut vom Wetter ein wenig aufgesprungen, blonde Augenbrauen und ein paar Sommersprossen auf den Wangen. Er ruderte das Boot mit großem Geschick, als wäre es seine zweite Natur.
    Â»Sind Sie schon Ihr Leben lang auf dem Fluss?«, fragte Monk. Ein Mann wie dieser hatte vielleicht etwas gesehen, was nützlich für ihn war, solange seine Fragen nicht so eindeutig waren, dass er sich verriet. »Die meiste Zeit.« Der Mann lächelte, wobei er einen abgebrochenen Vorderzahn entblößte. »Aber Sie sind neu hier. Hab Sie jedenfalls noch nie gesehen.«
    Â»Nicht auf diesem Streifen«, verdrehte Monk die Wahrheit ein wenig. »Wie heißen Sie?«

    Â»Gould.«
    Â»Und wie lange arbeiten Sie?«
    Gould zuckte die Schultern. »In schlechten Nächten gehe ich früh nach Hause. Wenn ich ’nen guten Job hab, bleib ich. Warum? Wollen Sie später wieder übersetzen?«
    Â»Vielleicht. Wenn ich Glück habe, brauche ich nicht lange.« Er musste seine Fragen so formulieren, dass er kein Misstrauen erregte, denn es durfte sich nicht herumsprechen, dass er allzu neugierig war. Einen Feind hatte er sich in der Hafenratte bereits gemacht, und über Bord in das eisige Wasser geworfen zu werden war wirklich das Letzte, was er wollte. Aus der Themse wurden zu viele Leichen gefischt, und nur Gott wusste, wie viele gar nicht gefunden wurden.
    Â»Ist es nachts gefährlich?«, fragte er.
    Gould brummte. »Kann sein.« Er nickte in Richtung eines Vergnügungsdampfers, dessen Lichter auf dem Wasser schimmerten. Gelächter drang über das Wasser zu ihnen. »Nicht für die da, aber in den kleinen Booten hier kann’s schon mal heikel werden. Wenn man sich um seine eigenen Angelegenheiten kümmert, passiert einem nichts.«
    Monk hörte die Warnung, doch er sah sich gezwungen, sie zu ignorieren. »Sie meinen, Flusspiraten benutzen kleine Boote?«, fragte er.
    Gould tippte sich an den Nasenflügel. »Noch nie davon gehört. Auf der Themse gibt’s keine Piraten. Gelegenheitsdiebe und so schon, aber die bringen niemanden um.«
    Â»Manchmal doch«, entgegnete Monk. Sie waren halb übers Wasser, und Gould lenkte das Boot mit beträchtlichem Geschick um die Schiffe, die vor Anker lagen, herum. Das Boot glitt fast lautlos durchs Wasser, das Eintauchen der Ruder war von den Geräuschen des Wassers um sie herum nicht zu unterscheiden. Der Nebel trieb, und die meisten Lichter wurden von einem dichten erstickenden grauen Brei gedämpft, der im Hals kratzte. Die Schiffsrümpfe ragten in der Nebelnacht auf wie dunklere graue Massen, in einem Augenblick deutlich auszumachen,
im nächsten nur noch Schatten. Nebelhörner hallten und hallten wieder, bis kaum noch zu sagen war, aus welcher Richtung sie kamen.
    Wie war es in der Nacht des Diebstahls gewesen? Hatte jemand das Wetter geschickt zu seinem Vorteil genutzt? Oder versehentlich sogar das falsche Schiff angesteuert?
    Â»Könnten Sie bei der Suppe ein bestimmtes Schiff finden?«, fragte er und wies mit dem Kopf auf den Nebel, der sich immer dichter um sie schloss.
    Â»Klar!«, sagte Gould fröhlich. »Kenne die Schiffe auf dem Fluss wie mein eigenes Boot.« Er nickte zur einen Seite. »Das da drüben ist die ›City

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