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Schwarze Themse

Schwarze Themse

Titel: Schwarze Themse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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weiter in Richtung der Biegung südwärts von Limehouse Reach ließ er nicht ein Mal zu, dass Monk so viel Abstand bekam, um sich umzudrehen oder der Klinge zu entfliehen.

    Vor sich sah Monk die Kräne und Lagerhäuser des Westindiendocks. Der Regen schlug ihnen ins Gesicht, und in der Luft lag beißender Fisch- und Teergeruch. Ollie befahl ihm, stehen zu bleiben. »Sie werden jetzt ’ne hübsche Runde schwimmen«, sagte er mit gehässigem Vergnügen. »Vielleicht findet unsere Lil nicht mehr so viel Gefallen an Ihnen, wenn sie Sie rausfischen.« Er lachte in sich hinein, was fast wie ein Räuspern klang. »Falls man Sie rausfischt! Manchmal verfangen sich die Leichen zwischen den Pfeilern, dann findet kein Mensch sie mehr. Die bleiben für immer da unten!«
    Â»Ich werde, verdammt noch mal, dafür sorgen, dass Sie mich begleiten!«, erwiderte Monk. »Ist es das, was Lil will?«
    Â»Reden Sie nicht über sie, Sie …« Ollies Stimme zitterte vor Wut.
    Monk spürte, wie die Messerspitze sich härter in seine Seite bohrte. Er ging auf den breiten Pier zu, der sich zehn oder zwölf Meter weit in das dunkle Wasser erstreckte, bevor er jäh endete, darunter nichts als die knarrenden, tropfenden Stümpfe, die hoch aufragten wie die Knochen toter Menschen. Der Modergeruch des Holzes stieg ihm in die Nase. Bis auf die Ankerlichter eines Schiffes, das zwanzig Meter weiter vor Anker lag, war es dunkel.
    Â»Los!«, drängte Ollie und schob Monk mit der Messerspitze vorwärts. Er war immer noch zu nah hinter Monk, als dass dieser sich hätte umdrehen und auf ihn stürzen können. Monk ging weiter, wie ihm gesagt wurde, und spürte die glatten Bohlen unter seinen Füßen. Das Holz war voller Vertiefungen und glitschig vom Alter. Er konnte den Fluss jetzt direkt unter ihm um die Pfähle herumwirbeln und gluckern hören. Ob er die geringste Chance hatte, in dieser Strömung zu schwimmen? Konnte er sich am nächsten Pfahl festhalten, gegen den er geschwemmt wurde? Aber wenn es so einfach wäre, würden doch nicht so viele Menschen ertrinken, oder? Die Strömung war stark, und die Strudel rissen einen fort. Die Kleider würden sich mit Wasser voll saugen und zu schwer werden, um
sich darin zu bewegen, und ihn nach unten ziehen, egal, was er tat.
    Er musste jetzt kämpfen oder aufgeben. Und Ollie wusste das allzu gut. Er stieß Monk ein weiteres Mal, und dieser stolperte und fiel auf die Knie. In dem Augenblick, in dem Ollie sich dorthin warf, wo eben noch Monk gelegen hatte, rollte der sich in einer einzigen Bewegung rasch zur Seite. Das Messer fuhr in hohem Bogen durch die Luft und stieß zu.
    Monk kämpfte sich auf die Füße, als unter seinem Gewicht eine Bohle durchbrach, einen Augenblick in der Luft schwang und dann ins Wasser stürzte.
    Ollie war wieder auf den Füßen. Er grunzte zufrieden. Er kannte das Pier und wusste, wo die verrotteten Bohlen waren, und er hatte das Messer. Er schnitt Monk den Rückweg ab, aber zumindest war jetzt ein gewisser Abstand zwischen ihnen, und Monk konnte Ollies Umrisse im Dunkeln erkennen. Würde das reichen? Es war lange her, dass er um sein Leben gekämpft hatte – in jener furchtbaren Nacht auf dem Mecklenburgh Square, vor seinem Kutschenunfall –, und er erinnerte sich nur bruchstückhaft daran.
    Ollie balancierte auf den Fußballen und bereitete sich auf einen Sprung vor.
    Das Ganze war lächerlich! Hätte Monk nicht dem Tod ins Auge geblickt, hätte er darüber gelacht. Er kämpfte gegen einen Mann, den er nicht kannte, um die Gunst einer Frau, die er nicht für Geld und gute Worte anfassen würde! Und wenn er Ollie das sagte, wäre dieser um Lils wegen so beleidigt, dass er Monk vor Wut umbringen würde.
    Monk stieß wegen des Irrsinns der ganzen Situation ein bellendes Lachen aus.
    Ollie zögerte. Er war zum ersten Mal im Leben mit etwas konfrontiert, was er nicht verstand.
    Monk trat einen Schritt zur Seite, weg von der verrotteten Bohle, näher zum Rückweg.
    Ollie blickte an Monk vorbei und erstarrte.

    Da drehte Monk sich um und sah die andere Gestalt im Dunkeln  – massiv, drohend, groß – vor den Ankerlichtern. Monk brach vor Panik der Schweiß aus – doch als sich die Gestalt im nächsten Augenblick bewegte, wurde ihm klar, dass es der leicht wiegenden Gang von Durban, dem

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