Schwarze Tränen: Roman (German Edition)
schwarzem Glas gemacht, das nur darauf zu warten schien, unter dem Innendruck zu bersten.
»Das sind Sphärenrisse«, erklärte Abraham düster. »Besser, wir kommen ihnen nicht zu nahe, sonst erwischt es auch uns.«
»Dummerweise ist Faust jetzt genau da, wo er ohnedies hinwollte«, flüsterte Lukas, der seine Augen nun nicht mehr von dem Portal abwenden konnte.
»Wie meint Ihr das?«, fragte Abraham.
Lukas berichtete ihm von Fausts Plänen, ohne das Höllentor aus den Augen zu lassen.
»Faust will die Herrschaft über die Hölle antreten?« Abraham klang ungläubig.
»Können wir etwas gegen das Portal ausrichten?«, fragte Lukas zurück.
»Wir? Ich wüsste nicht, wie. Hier müsste schon der Himmel selbst eingreifen.«
»Der Himmel?« Lukas wandte sich erschrocken um und spähte über die vielen Leichen hinweg. »Wo ist eigentlich Mille? Sie sagte vorhin, sie wolle sich um Sie kümmern.«
»Um mich? Ich dachte, sie wäre irgendwo bei Euch?« Auch Abraham fuhr herum. »Als der Angriff begann, versteckte ich mich in einer Fuge im Boden, um abzuwarten. Zu meinem Glück oder Unglück stürzte einer der Ritter mit seinem Körper auf mich, so dass ich mich erst befreien konnte, als der Kampf zwischen Barbarossa und Abaddon bereits ein Ende gefunden hatte.«
»Mille war also nicht bei Ihnen?«
»Nein. Ich habe mich selbst befreit. Dort, wo Ihr und sie vor Eurem Angriff auf Euren Ahnen standet, lag nur ihr Besen – und den habe ich eben zum Angriff gegen Faust genutzt.«
Lukas packte seinen eigenen Besen und flog über das Ritterheer hinweg nach vorne zur Felsengalerie. »Mille!«, brüllte er immerzu. Endlich erreichte er den Platz, wo sie die Sporenattacke erwischt hatte, und landete. Er sah nun ebenfalls, dass die Stelle, abgesehen von den toten Rittern, die sie umringt hatten, verwaist war.
Und dann endlich entdeckte er sie. Millepertia lag etwas weiter entfernt und mit welkem Blütenhaupt gegen eine der riesigen Säulen gelehnt. Sie zitterte krampfhaft.
»Mille!« Panisch kämpfte er sich zu ihr durch und kniete sich neben sie. »Was ist mit dir?«
Ihr halb pflanzliches, halb menschliches Gesicht war aschfahl, ihre Lider flatterten. Plötzlich sah er, dass die Adern auf den freiliegenden Hautflächen tiefschwarz verfärbt waren. »Oh nein!« Lukas wirbelte herum und begann, Abrahams Namen zu schreien, doch der Magier hockte längst auf dem zweiten Hexenbesen, schoss auf sie zu, ließ den Besen bei seiner Ankunft einfach fallen und untersuchte Millepertias Haut. »Dämonengift! Wie ist das möglich? In ihrer Pflanzengestalt sollte sie dieser Anfeindung doch gewachsen sein.«
»Sie sprach davon, dass sie mir ein paar Tropfen ihres Blutes verabreicht hätte.«
»Nein, ich habe dich belogen«, erklang eine schwache Stimme zu seinen Füßen, und Lukas und Abraham starrten fragend und voller Angst Millepertia an. Diese hatte ihre Lider unter großer Anstrengung ein Stück weit geöffnet und sah Lukas aus nunmehr tiefschwarzen Augen an. »Tatsächlich«, röchelte sie, »habe ich das Gift aus deinem Körper gezogen und es in mir aufgenommen.«
»Du hast
was?
« Lukas sah sie entsetzt an.
»Ich musste es tun. Nur du kannst deinen Ahnen aufhalten.«
»Aber
warum,
Mille? Von uns dreien bin ich der, der am verzichtbarsten ist. Ohne Abraham wäre ich eben draufgegangen.«
Ihr Körper zuckte, und schwarzer Speichel troff von ihren Lippen.
»Mille!« Lukas umfasste verzweifelt ihr Gesicht. »Verdammt,
tun Sie
doch etwas!«, schrie er Abraham an. »Sehen Sie nicht, dass sie hier direkt vor unseren Augen krepiert?«
»Ich weiß nicht, was ich tun soll« Der kleine Zauberer wirkte wie ein Haufen Elend. »In Worms vielleicht. Aber wir sind hier nicht in Worms.«
Lukas’ Sichtfeld verengte sich. Wütend wischte er die Tränen aus den Augen, die ihm nun unablässig die Wangen hinabrannen. Es störte ihn nicht. »Mille! Bitte, du musst gegen das Gift
ankämpfen.
« Lukas presste ihre Hände an sich und blinzelte immer neue Tränen fort, um ihren Blick mit dem seinen halten zu können. »Du
darfst
mich nicht verlassen. Hörst du? Ich werde das nicht zulassen.«
»Weißt du noch, als wir uns in Heidelberg über Namensmagie unterhielten?«, wisperte sie schwach. »
Lukas.
Dein Name bedeutet
Ins Licht hineingeboren.
« Sie rang nach Luft. »Wenn uns einer retten kann, dann du. Darauf vertraue nicht nur ich. Darauf vertraut auch …« Jäh bäumte sie sich auf, und ihre schwarzen Augen traten hervor, als habe ihr
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