Schwarze Tränen: Roman (German Edition)
Johann würde Abaddon herlocken, damit wir ihn mit Barbarossas Hilfe vernichten konnten. Ich hingegen werde als Dank seinen Höllenpakt aufheben, bevor ich in den Himmel auffahre. Denn jetzt, da Abaddon vernichtet ist, gehört auch der lächerliche Bann der Vergangenheit an, der bislang meine Rückkehr in die Hölle vereitelte. Es steht mir frei, ein letztes Mal in den Infernalischen Abgrund zurückzukehren. Und genau das werde ich tun, um dort auch um Fürbitte für all jene zu ersuchen, die unser aller Schöpfer einst mit mir in den Abgrund verbannte. Es ist lange überfällig, den Himmel wieder zu einen.«
Lukas sah dem Pudel entgeistert dabei zu, wie dieser zurück auf Barbarossas Herrschersitz sprang und erwartungsvoll zu dem Orphanus aufsah, der prachtvoll auf der Thronlehne funkelte.
»Und du lässt mich allen Ernstes mit diesem Schweinehund zurück?«, keuchte Lukas, der die unerwartete Offenbarung noch immer nicht glauben konnte.
»Mach dir keine Gedanken, Famulus.« Mephistopheles lächelte verklärt. »Da ich auch dir gegenüber nicht undankbar erscheinen möchte, ließ ich Johann einen Eid darauf ablegen, dein Leben zu schonen. Besinnt euch beide des edlen Geblüts, dem ihr entstammt. Und nun gehabt euch wohl.« Mit einem raschen Satz schnappte er nach dem Orphanus auf der Thronlehne und verschwand in einer Rauchsäule stinkenden Schwefels.
Lukas war wieder mit Faust allein.
»Das … kann doch nicht wahr sein«, keuchte Lukas.
»Ich schätze, doch.« Doktor Faust grinste. »Mehr noch: Alles entwickelt sich genau so, wie ich es geplant habe.«
»Du kannst mir nichts vormachen.« Lukas erhob sich endgültig und fixierte seinen Ahnen düster. »
Niemals
hast du vor, deinen Schwur zu halten.«
»Du meinst die Sache mit deinem Leben?« Sein Gegenüber schürzte geringschätzig die Lippen. »Doch, das muss ich leider. Nur werden wir beide die Körper tauschen. Ich werde in deinen Leib einfahren; im Gegenzug erhältst du die widerliche Hülle, mit der ich mich derzeit herumschlage.« Er lachte. »Das ist allein schon deswegen notwendig, damit ich das letzte Kapitel meiner kleinen Unternehmung aufschlagen kann. Denn du hast doch wohl hoffentlich nicht geglaubt, dass es mir allein darum ging, den Höllenpakt aufzuheben?«
»Nicht?«
»Nein, denn jetzt, da Abaddon Geschichte ist und der Teufel kurz davor steht, wieder in den Himmel aufzusteigen, werde
ich
den Höllenthron besteigen.«
»Bist du wahnsinnig?« Lukas Stimme wurde heiser.
Faust schüttelte den Kopf und hob die Kristallkugel. »Das, was ich hier in Händen halte, ist keine einfache Kristallkugel. Es ist der Schlüssel zum Infernalischen Abgrund, den Abaddon all die Zeit hütete. Ein Detail, das ich bei meiner Verhandlung mit Mephistopheles natürlich ausgespart habe.« Er zwinkerte diabolisch. »Ich werde mit dem Schlüssel die Höllenpforte öffnen, warten, bis Luzifer den Infernalischen Abgrund verlassen hat, und dann tun, was jeder Zauberer mit etwas Ehrgeiz tun würde.« Faust beugte sich vor. »Einer muss die dämonischen Horden schließlich im Zaum halten, oder was denkst du? Die Menschheit wird mir dankbar sein. Kurz: Ich werde wie ein Gott über zwei Welten zugleich herrschen. Nur, dass ich mich nicht so zurückhalten werde wie Satan. Man wird sich noch nach ihm zurücksehnen, während ich die Welt mit meinem eisernen Willen umforme. Und wer weiß, vielleicht reichen meine Ambitionen eines Tages noch weiter? Oder sollte ich sagen: noch höher?«
»Du
bist
wahnsinnig.«
»Ach, komm schon. Die Welt, wie ich sie formen werde, wird in dieser Hinsicht ganz sicher nicht so kleingeistig sein.« Faust richtete sich wieder auf, wechselte die Kristallkugel in die Rechte und hob sie empor. »Wenn ich es recht bedenke, sollte ich die Höllenpforte gleich hier öffnen. Schon, damit du mitansehen kannst, zu was wir Fausts imstande sind, wenn wir uns auf unsere eigentliche Stärke besinnen.«
Lukas keuchte. »Tu das nicht!
Bitte!
«
Doch Faust hörte ihm nicht mehr zu. Er schloss die Augen, konzentrierte sich, und die Kugel erstrahlte abermals in einem fahlweißen Licht, dessen Widerschein sich auf der großen Felswand hinter ihnen abzeichnete. Lukas hörte ein hohes, wimmerndes Geräusch. Es dauerte eine Weile, bis er verstand, dass es über seine eigenen Lippen kam. Er wimmerte vor Furcht. Wie Nebelstreifen tanzten jetzt faulige Lichtreflexe über den Fels und schlossen sich zu dreizehn aschfahl glosenden Symbolen zusammen, die ein
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