Schwarze Tränen: Roman (German Edition)
unglücklicherweise berichtet, dass auch ich nach Salomons Schwert Ausschau hielt.«
»Der schimmlige Bibliothekar?« Lukas sah den Zauberer verwirrt an. »Er hat doch gar nichts von einem Plan erzählt.«
»Nun ja.« Doktor Faust lachte herablassend. »Eine Zeitlang ging ich davon aus, dass du nicht nur das Faustsche Blut, sondern auch meinen Genius geerbt hättest, Urenkel. Nur saß ich dabei ganz offensichtlich einer grotesken Fehleinschätzung auf.« Faust deutete hinüber zu Barbarossas niedergestrecktem Körper. »Es handelt sich bei diesem Schwert um eine Engelsklinge. Ich wusste, dass man mit ihr selbst Abaddon würde aus dem Weg räumen können, wenn ich seiner nicht mehr bedurfte. Zumindest in seinem geschwächten Zustand.« Faust lächelte überheblich, doch Lukas glotzte ihn weiterhin verständnislos an. »Du
wolltest,
dass Abaddon stirbt?«
»Sicher. Wer will schon in einer Welt leben, die von ihm beherrscht wird?«
»Aber was ist mit der Aufhebung deines Höllenpaktes?«
Faust lachte trocken und steckte das Kreidestück weg. »Ich habe inzwischen längst wieder die Seiten gewechselt. Um dieses Detail wird sich unser gemeinsamer Freund kümmern. Denn ich habe ihm Möglichkeiten aufgezeigt, an die er nie gedacht hat.«
Lukas rappelte sich ebenso mühsam wie verwirrt auf. »Welcher gemeinsame Freund?«
»Er meint mich, Famulus.« Auf dem Thron erhob sich Mephistopheles in seiner schwarzen Pudelgestalt.
»Mephisto!?« Lukas begriff nun gar nichts mehr.
»Sicher. Ich war es, der Johann hierhergeführt hat. Hast du unseren kleinen Blutspakt vergessen? Ich musste dir bloß folgen, um das Versteck des Orphanus zu finden.«
»Ich … begreife nicht, warum? Hast du vergessen, dass dich mein sauberer Ahne
vernichten
will?«
»Ich habe nicht vergessen, dass ich euch
glauben
machte, dass es sich so verhält. Nur dass es sich eben anders verhält. Während unseres Aufenthaltes auf dem Kandel war Johann so freundlich, mir seine Pläne in aller Offenheit darzulegen. Tatsächlich verhilft er mir zu meiner alten Macht. Du weißt doch hoffentlich, wer ich einst war?« Faust machte Mephisto bereitwillig Platz, der nun vom Thron sprang und vor den Zwingkreis trottete. »Die seltsame Schwäche, die mich in letzter Zeit heimsuchte. Meine Unpässlichkeit. Sie waren bloß Vorboten der Herrlichkeit Gottes.«
Lukas starrte den Teufel mit einem Ausdruck an, der diesen mitleidig lächeln ließ. »Ich hätte es schon ahnen können, als ihr mir von eurer Begegnung mit Urds Spiegel erzähltet. Während meines Höllensturzes vergoss ich tatsächlich drei Tränen. In ihnen schlummerten die wesentlichen Teile meiner himmlischen Essenz. Die göttlichen drei Tugenden, die einen jeden Engel auszeichnen: Glaube, Hoffnung, Liebe.« Mephistos Blick verklärte sich. »Sie preisgeben zu müssen, war die eigentliche Strafe des Allmächtigen für meine Rebellion. In der Hölle ist kein Platz für himmlische Tugenden. Doch jetzt, mit jeder zerstörten Träne, kehren diese Teile meines einstigen Selbst wieder zu mir zurück. Begreifst du? Ich konnte die Veränderung schon in Staufen spüren, doch da war mir noch nicht klar, was dies zu bedeuten hatte. Als dann aber auch der zweite Adamant seinen kostbaren Schatz preisgab und mich plötzlich die Hoffnung durchflutete, da ahnte ich erstmals, dass all dies
Sein
Zeichen sein könnte, auf das ich schon seit einem Äon warte.«
Lukas starrte den Pudel noch immer mit offenem Mund an. »Was für ein
Zeichen?
«
»Na,
Sein
Zeichen! Dafür, dass meine Strafe nun endlich ein Ende findet. Unser aller Schöpfer gibt mir eine zweite Chance,
Seine
Liebe wiederzuerlangen, Famulus! Ich kann endlich wieder der werden, der ich einst war. Ich vermag wieder in den Himmel aufzufahren.« Mephisto lächelte versonnen. »Den Teufel wird es dann nicht mehr geben. Denn wenn der dritte Adamant fällt, wird aus mir endlich wieder Luzifer, den man nicht umsonst den Morgenstern nennt. Ich war schon immer der strahlendste
Seiner
Himmelsboten. Es wird Zeit für meine Rückkehr.«
»Aber wenn der letzte Adamant fällt, wird sich diese verdammte Höllenpforte öffnen!«, schrie Lukas. »Dann wird die Apokalypse über die Welt hereinbrechen.«
»Nein, wird sie nicht. Denn um sie zu öffnen, bedarf es noch immer des Schlüssels, den Abaddon hütete. Doch Abaddon ist nicht mehr. Der Rest seiner gebrochenen Existenz wurde soeben zerschlagen.« Mephisto sah milde zu Doktor Faust auf. »Dies war Teil unserer Vereinbarung.
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