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Schwarze Tränen: Roman (German Edition)

Schwarze Tränen: Roman (German Edition)

Titel: Schwarze Tränen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Finn
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Wasser und schien sich vor Schwäche kaum oben halten zu können. »Bitte, sag mir, wie viele Jahrhunderte ich schon hier bin.«
    »Jahrhunderte?«
    »Ja. Wie viel Zeit ist seit meinem Tod vergangen?«
    Lukas sah ihn an. »Ein paar Tage?«
    Ein unmenschlicher Laut kam über Agrippas Lippen, hell und schrill, und dann verstand Lukas, dass der verstorbene Zauberer schrie. In seinen Augen brannte das Entsetzen, als er begriff, dass das, was hinter ihm lag, erst der Anfang gewesen war. Auch in Lukas kroch das Entsetzen höher und höher, als er verstand. Millepertia war irgendwo hier unten. Seit einer Stunde vielleicht, die ihr wie eine Ewigkeit erschien. Jede Sekunde, die er verlor, litt sie unvorstellbare Qualen. Er musste weiter, musste sie finden. Jetzt.
    »Agrippa«, fuhr Lukas sein Gegenüber an. »Bitte! Ich muss zum Höllenthron. Und ich muss meine Begleiterin finden. Sie erinnern sich?
Millepertia.
Die junge Frau an meiner Seite!«
    »Ich brauche deine Wärme«, röchelte der Verblichene, ohne auf die Bemerkung einzugehen. Ängstlich sah er sich um, dann wagte er es, den Damm zu berühren und sich nach oben zu ziehen. Die Arme um den schlotternden Leib geschlungen, blieb er eine Weile liegen, dann brach er in wahnsinniges Gelächter aus. »Sie sind fort«, kicherte er. »Ich bin hier oben, und sie sind tatsächlich fort! Dann stimmt es, dass sich die Höllenpforte geöffnet hat?« Fragend sah er zu Lukas auf, der misstrauisch auf Abstand blieb. »Seit ich hier bin, ertrinke ich Stunde um Stunde aufs Neue«, keuchte der Zauberer. »Und wann immer ich versuche, aus dem Pfuhl herauszukommen, kommen sie und zerfleischen mich.«
    »Wer greift Sie an?«
    Ein gieriger Ausdruck stahl sich in den Blick des einstigen Zauberers. »Bitte, wärme mich, junger Faust. Mich friert.« Ungelenk erhob er sich und stolperte auf Lukas zu. Weitere Tote drängten aus dem Faulwasser, die sich würgend und stöhnend auf den Steg zogen. Auch sie starrten Lukas mit gierigen Blicken an.
    Lukas zögerte nicht. Er warf sich herum und rannte auf die felsige Erhebung mit dem Brunnen zu, als über dem Sündenpfuhl ein vielstimmiges Heulen erschallte, das unter den Höllenpaktierern hinter ihm panisches Geschrei auslöste.
    »Oh nein! Sie sind noch immer da!«
    Links und rechts des Knüppeldammes huschten drei Kreaturen mit räudigem Fell, glühenden Augen und zwei Schwänzen heran, wie Lukas sie bereits in Worms und Baden-Baden gesehen hatte. Höllenhunde! Die Bestien hetzten über die neblige Wasserfläche und stürzten sich wie tollwütig auf die gepeinigten Seelen hinter ihm. Jene, die nicht schnell genug zurück in den Pfuhl sprangen, rissen sie in Stücke, und einer der Höllenhunde wandte sich nun ihm zu, so als begriffe der Dämon erst jetzt, dass vor ihm ein Mensch aus Fleisch und Blut stand. Unter wütendem Knurren ging er auf ihn los.
    Lukas riss Salomons Schwert nach vorn, kaum dass die Kreatur in Reichweite war. Schwarzes Blut spritzte, und der überraschte Höllenhund stürzte inmitten einer schlammigen Fontäne in den Morast. Auch die übrigen Höllenhunde ließen jetzt von ihren Opfern ab.
    Lukas wandte sich ab und rannte, bis er das Eiland erreicht hatte. Brackiges Sumpfwasser überspülte den blanken Fels der Uferzone, und schräg vor ihm führten ausgetretene Treppenstufen nach oben zu dem Brunnen. Die Höllenhunde waren noch immer hinter ihm, doch er hielt sie mit dem Schwert auf Abstand, während er in fieberhafter Eile die Stufen bis zum Brunnen erklomm. Oben angekommen, sah er, dass dessen Umrandung nicht aus Ziegeln, sondern aus verfugten Menschenschädeln bestand. Unmittelbar vor dem Brunnenrand aber stand ein Mann, den er nur zu gut kannte: sein Ahne!
    Noch immer steckte Faust in Agrippa von Nettesheims halbverbranntem Körper. Und er sah Lukas ebenso überrascht an wie er ihn. Langsam hob er seine schwarze Kristallkugel und musterte ihn lauernd. »Welch unerwartet rasches Wiedersehen. Ich frage mich, was du an diesem Ort verloren hast?«
    »Dasselbe könnte ich dich fragen«, knirschte Lukas, der das Knurren der Dämonen in seinem Rücken zu ignorieren versuchte. Die Hunde brachten ihn nicht weiter. Wenn jemand wusste, wo Mephisto war, dann war es Faust.
    Der schürzte die brandigen Lippen. »Nach meiner – zugegeben – unerwartet frühzeitigen Rückkehr in diese Dimension dachte ich mir, dass es klug wäre, sich einen Logenplatz zu sichern, von dem aus ich das Ergebnis all meiner Bemühungen mitverfolgen

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