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Schwarze Tränen: Roman (German Edition)

Schwarze Tränen: Roman (German Edition)

Titel: Schwarze Tränen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Finn
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ihm, inmitten einer von Flammen umzüngelten Ebene, wand sich ein Fluss aus Eiter und blitzenden Klingen durch die Höllenlandschaft. Immerzu trieben in den gelbbraunen Fluten schreiende Menschen nach oben, und er musste mit ansehen, wie ihre Seelenleiber von den Messern zerfetzt und dann erneut nach unten gerissen wurden. Lukas schloss die Augen, um sich zu beruhigen. Während der schweflige Wind ihm Zunge und Gaumen ausdörrte, verstand er, dass er in dieser lebensfeindlichen Dimension verdursten würde, wenn er hier noch länger untätig herumstand. Aber musste er das überhaupt? Alles in ihm schrie nach Flucht. Auch wenn er es nicht wollte, drehte er sich wie in Zeitlupe zu dem Tor um, durch das er gerade erst diesen Un-Ort betreten hatte. Doch da war – nichts. Kein Portal, kein Tor, kein Sphärenriss. Er stand irgendwo im höllischen Nirgendwo, und es gab kein Zurück.
    Lukas kämpfte gegen die aufsteigende Panik an, schwang sich schließlich auf den Hexenbesen und tränkte ihn mit ein paar Tropfen von seinem Blut. Prüfend stieg er mit ihm über den Staubschleiern auf und dankte allen Himmelsmächten, dass die Hexenmagie auch hier ihren Dienst erfüllte. Dann sprang er in die Tiefe und jagte auf dem Besen über das Grauen hinweg, das unter ihm immer neue Dimensionen annahm. Zu seiner Linken, nur unweit des Eiterflusses, kam ein ganzer Wald aus Gepfählten in Sicht, die flehend zu ihm aufsahen und deren Schreie im allgegenwärtigen Wimmern und Stöhnen fast untergingen. Erstmals sah er dort auch Dämonen. Die alptraumhaften Kreaturen mit pumpenden Leibern und schwarzschillernden Flügeln besaßen Ähnlichkeit mit monströsen Schmeißfliegen, sah man davon ab, dass an ihren Flanken Hunderte Tentakel wie Flimmerhärchen wogten. Sie hockten auf den Gesichtern der Gequälten, und ihre Saugrüssel stecken in den aufgerissenen Mündern, so als ernährten sie sich von ihrer Pein. Vermutlich taten sie das auch. Es waren auffallend wenige, aber Lukas war der Anblick dennoch mehr als genug. Er machte, dass er davonkam. Doch die Grausamkeiten endeten nicht. Er jagte schräg auf eine Anhöhe zu, an deren Flanken Tausende gepeinigter Seelen emporkrabbelten. Die meisten von ihnen stürzten bei ihrem Aufstieg zurück in die Tiefe, wo karpfenartige Monstrositäten mit Raspelzähnen und tiefschwarzen Glotzaugen den Sand durchpflügten. Jene, die den Aufstieg schafften, erwartete am Gipfel ein steiler Grat, der lotrecht in die Tiefe abfiel, um weit unten einem Feuersee mit irrwitzig hohen Flammen Platz zu machen. Die Lohen verbrannten alles, was in sie hineinstürzte. Und es waren viele, die fielen, und noch mehr Verzweifelte, die sich an dem schroffen Gipfel festklammerten. Jene, die von den Nachrückenden verdrängt wurden, erfasste noch im Fall das Feuer. Sie stürzten wie kleine Kometen mit feurigen Schweifen in den Flammensee. Nur sterben konnte hier niemand. Lukas sah ungläubig mit an, wie sich aus den Flammen des Sees ein beständiger Strom schwarzverkohlter Gestalten ans Ufer schleppte. Sie alle taumelten einer Zone entgegen, in der bizarre Schreckgestalten mit Ameisenköpfen auf sie warteten, um ihnen eine gelbliche Flüssigkeit in den Rachen zu kippen. Jene, die sie tranken, heilten wieder, um dem Schrecken erneut zugeführt zu werden. Lukas fragte sich, um was es sich bei dem seltsamen Wunderelixier handelte, als der kalte Höllenwind den beißenden Geruch von Jauche herantrug.
    Er hatte genug gesehen. Wenn er sich dem Treiben da unten weiter hingab, würde er ohne Zweifel den Verstand verlieren. Außerdem kroch ihm die Kälte in die Glieder. Er musste Luzifer finden. Und Millepertia. Doch die Chance, sie unter all den gemarterten Seelen aufzuspüren, erschien ihm mit jeder verstrichenen Minute aussichtsloser. Wenn er mit seiner Suche Erfolg haben wollte, musste er jemanden um Hilfe bitten.
    Mutlos hielt er inmitten des Höllengeschehens nach einem Anhaltspunkt Ausschau, den es anzusteuern lohnte, als er eine von schwefligen Dünsten erfüllte Senke entdeckte, in der er menschliche Silhouetten zu erblicken glaubte, die vor blinkenden Objekten standen. Spiegel? Da er im weiten Umfeld keine Teufel und Dämonen ausmachen konnte, flog er auf den nebelverhangenen Ort zu, von dem ihm nun gellende Schreie und gehässiges Gelächter entgegenschlugen. Was ging dort unten vor sich?
    Er flog in den Nebel hinein und näherte sich einer der Gestalten bis auf zehn Schritt. Es handelte sich um einen Mann mit langen, schwarzen

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