Schwarze Tränen: Roman (German Edition)
atmete scharf ein. Er nahm die Würfel an sich und würfelte ebenfalls. Hauptsache, der elende Giftzwerg bekam nicht mit, auf welche Weise er ihn hereinzulegen gedachte …
Vier Augen und drei Augen. Er hatte sich mehr erhofft.
Mit möglichst argloser Miene gab er dem Schwarzalb die Würfel zurück, und dieser ließ sie ein weiteres Mal rollen.
Drei Augen und ein Auge. Missgelaunt sah er auf.
Lukas unterdrückte einen Laut des Triumphes und griff rasch wieder zu den Würfeln, bevor Alberich misstrauisch werden konnte.
Zweimal vier Augen. Sie hatten jetzt beide insgesamt fünfzehn Augen gewürfelt. Gleichstand.
Alberich knurrte und rollte die Würfel zum letzten Mal. Drei Augen und zwei Augen.
Lukas wurde heißkalt. Er nahm die Würfel an sich, schüttelte sie und ließ sie ein letztes Mal rollen. Zwei und Fünf. Sein Plan war aufgegangen. Er hatte gewonnen. Weitaus knapper, als er gedacht hatte, aber das war ihm im Augenblick egal. »War nett, mit Euch zu spielen.« Diesmal war er es, der grinste. Er erhob sich, klopfte gönnerhaft gegen seine prall gefüllen Jackentaschen und löste endlich Millepertias Fesseln. Die schüttelte wütend seine Hand ab und befreite sich selbst von ihrem Knebel. Blass vor Zorn funkelte sie ihn an und glich damit Alberich, der mit ähnlichem Gesichtsausdruck zu ihm aufsah. »Wie auch immer du deinem Glück auf die Sprünge geholfen hast«, zischte er, »freu dich nicht zu früh. Ihr werdet es noch bereuen, mich herausgefordert zu haben.«
Lukas nahm die Drohung gelassen, schnappte sich seine Flinte und wies an den vielen Schätzen vorbei zur Brücke. »Wenn ich bitten dürfte.«
Alberich marschierte voran und blieb vor der Brücke stehen. Unwirsch beschrieb er eine Geste, und an der Felswand jenseits des gegenüberliegenden Plateaus wuchsen Dornenranken empor, die sich zu einer Pforte erhoben. »Möget ihr an eurer Freiheit ersticken!«
Millepertia marschierte hocherhobenen Hauptes an ihm vorbei, und Lukas folgte ihr rasch. Sie hatten die Brücke kaum zur Hälfte überquert, als der Fels unter ihren Füßen erbebte. Rechts und links von ihnen brach das Gestein mit Getöse auseinander und stürzte in die Tiefe. Ebenso wie Millepertia stürzte Lukas nach vorn, schleuderte die Flinte aufs Plateau und konnte sich gerade noch an der Felskante festhalten. Doch Millepertia dicht hinter ihm hatte nicht so viel Glück. Sie brach inmitten der stürzenden Quader ein und sackte weg.
»Mille!« Lukas wirbelte herum und griff mit der Linken nach ihr. Er erwischte sie im letzten Moment an der Jacke, bevor sie in die Tiefe fallen konnte. Ein schmerzhafter Ruck ging durch seinen Körper, und er fühlte sich, als läge er auf einer Streckbank. Seine Rechte krallte sich über ihm ins feuchte Gestein, während er mit der Linken die Hexe festhielt. Weit unter ihnen im Schacht rumpelte es. Millepertias Leib hingegen zerrte wie ein nasser Sack an ihm. Eine grünlich blutende Wunde verunzierte ihre Stirn, und sie stöhnte benommen. »Mille!«, ächzte Lukas. »Komm zu dir. Ich kann uns nicht mehr lange halten.«
»Oh, hatte ich vergessen, euch davor zu warnen, dass die Brücke nur einen trägt?«, höhnte Alberich und hüpfte wieder auf und ab. »Und was die Schätze betrifft, Jungchen, die werden jetzt dein Verderben sein. Verreckt endlich!«
Von einem Moment zum anderen zerrten überall dort, wo sich Lukas die Taschen mit Gold und Geschmeide vollgestopft hatte, beständig anwachsende Gewichte an seinem Körper. Lukas spürte, wie ihn die Jacke nach unten zog und seine Rechte unter der zusätzlichen Belastung langsam abglitt. »Mille!«, schrie er.
Ihre Lider flatterten, und sie kam wieder zu sich. Grün-gelbes Johanniskraut wucherte aus ihrer Kopfwunde, spross überall aus ihrem Körper und rankte auch an Lukas empor, um sich über ihm am Fels festzuklammern. Keinen Augenblick zu spät, den Lukas verlor jäh den Halt, doch diesmal war es Millepertias Pflanzengestalt, die ihn wie wilder Wein an der Felswand hielt.
Alberich kreischte vor Zorn, und die schwere Last in Lukas’ Jacke spannte die Taschen bis knapp zum Zerreißen.
Dicht zog sich Millepertias Pflanzenleib an Lukas empor, und während sie ihn mühsam festhielt, fixierte sie ihn mit ihren smaragdgrünen Augen. »Erst benutzt du mich als Wetteinsatz, und jetzt rettest du mich. Warum?«
»Ich wollte dich die ganze Zeit über retten«, wisperte er stöhnend. »Ich habe Alberich bis auf den ersten Wurf stets zwei Trickwürfel zugespielt.
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