Schwarze Tränen: Roman (German Edition)
Sie tragen auf den sechs Seiten zweimal die Zahlen eins bis drei. Er konnte nicht gewinnen. Jedenfalls theoretisch. Und jetzt zieh mich hoch. Bitte!«
»Theoretisch?« Noch immer las er in ihrem Blick Ärger. Hatte sie wirklich geglaubt, er würde sie opfern? »Wie kommst du darauf, dass ich dich reinlegen wollte?«
Millepertia versuchte, ihn in die Höhe zu ziehen, doch es gelang ihr nicht. Das verfluchte Gold in Lukas’ Jacke schien ein Eigenleben zu entfalten und hielt dagegen. »Ich schaffe es nicht«, keuchte sie. »Da ist etwas, das …«
Teufel, er musste das Geschmeide loswerden. Sofort! Lukas langte panisch in die Taschen, doch das verfluchte Gold hielt dagegen und gewann nur noch weiter an Gewicht. Mille ächzte, und ihr Pflanzenleib knisterte unter der Anstrengung. Alberich lachte boshaft, als Lukas eine verzweifelte Idee kam. Angestrengt zerrte er an den Nähten seiner rechten Jackentasche. Mit einem platzenden Laut riss sie unter der zusätzlichen Belastung auf, und unter ihm regnete es goldene Ketten und Ringe in die Tiefe. Auch die linke Jackentasche entleerte er auf diese Weise. Mille gelang es nun endlich, ihn in ihrer Pflanzengestalt hinauf auf das Plateau zu zerren, wo sie ihn brüsk auf den Fels warf. Erschöpft blieb Lukas dort liegen, während sich seine Begleiterin unter knisternden Geräuschen zurück in Menschengestalt verwandelte. Alberich tobte auf der anderen Seite, doch keiner von ihnen schenkte ihm Beachtung.
Lukas rappelte sich mühsam auf und starrte finster über die Felskante. All das schöne Gold, es war dahin. Doch es war ihm inzwischen egal. Seine Gedanken kreisten vor allem um den unausgesprochene Vorwurf. Er wandte sich Millepertia zu und sah ihr in die grünen Augen. »Mille«, sagte er sanft, »wann begreifst du endlich, dass ich nicht dein Feind bin? Ich wäre eben lieber selbst gestorben, als dich loszulassen.«
Sie wandte ihren Blick nicht ab, aber in ihren Augen stand keine Freude, sondern Trauer. »Und doch wirst du eines Tages mein Verderben sein«, gab sie leise zurück.
»Was?!« Lukas schüttelte ungläubig den Kopf. »Okay, das mit dem Gold eben war wirklich dämlich. Ich hätte wissen müssen, dass …«.
»Das meine ich nicht«, entgegnete sie müde. »Es ist vielmehr so, dass ich dich schon lange kenne, Lukas. Dein Gesicht erscheint mir seit dreihundert Jahren regelmäßig in meinen Träumen. Seit mich das Teufelsfluchkraut umschloss und sich mit mir verband. Vielleicht willst du es nicht, dennoch wird es geschehen.« Sie wandte sich erschöpft ab, und Lukas folgte ihr bestürzt zum Rosenportal.
»Was wird geschehen?«, rief er ihr hinterher.
Sie wandte sich zu ihm um, und der Kummer in ihren Augen schnürte ihm die Kehle zu. »Du wirst dafür sorgen, dass ich in die Hölle fahre!«
Die Ruhe vor dem Sturm
T ränen? Das ist doch lächerlich.« Mephistopheles hockte auf der Wohnzimmercouch und verzog pikiert das Pudelgesicht. »Bei meinem Kampf gegen Michael, diesen Emporkömmling, habe ich vielleicht ein paar Tropfen Schweiß vergossen, aber doch nicht
Tränen!
«
»Vielleicht ging es dir ja damals so wie Lukas, wenn er morgens in den Spiegel blickt«, meinte Millepertia spitz. »Besser, du gewöhnst dich daran.«
»He.« Lukas sah auf, und zufrieden mit sich, dass ihre kleine Spitze angekommen war, huschte ein Lächeln über die Züge der Hexe. Unwillkürlich musste auch er grinsen. An Mephistopheles gewandt fuhr Millepertia fort: »Außerdem hängt deine Existenz von den Steinen ab. Unsere Gegner werden nichts unversucht lassen, die übrigen beiden Adamanten aufzuspüren und zu zerstören. Und dann bist du Geschichte.«
»Langsam erschließt sich mir, warum es im Neuen Testament hieß, Abaddon trage den Schlüssel zum Abgrund«, sagte Abraham nachdenklich. »Sind die Siegel erst zerstört, wird er mit diesem Schlüssel das Höllentor aufstoßen, um so über die Welt herzufallen. Das wäre zumindest meine Theorie.«
»Sprach der Sukkubus nicht bereits in Staufen von einem Höllentor?« Lukas suchte bewusst Millepertias Blick, und sie nickte bestätigend. Zum ersten Mal seit Tagen wirkten ihre Züge durchgängig weich. Und zum ersten Mal hatte er auch nicht das Gefühl, dass sie in seiner Gegenwart angespannt war. Ihre Enthüllung an der Brücke schockierte ihn zwar noch immer, doch auf gewisse Weise schien sie das Eis zwischen ihnen gebrochen zu haben. Nur an ihrem Humor mussten sie noch arbeiten. Dabei wollte ihm noch immer nicht in den Sinn,
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