Schwarze Träume: Ein Anita Blake Roman (German Edition)
während der langen Gleitbewegung der Hände, mit der er mich an sich zog, brachte er den Mund an mein Ohr. »Ich werde dich aufwärmen.« Er drückte mich an die Mulden und Wölbungen seines Körpers, aber nicht so eng, dass es mir vor den Leuten peinlich wurde. Nicht so, als klebten wir aneinander. Trotzdem bekam ich die Schwellung in seiner Hose zu spüren. Nur ganz sacht zwar, aber dadurch war klar, dass er mehr als einen Grund hatte, mich nicht noch enger an sich zu drücken. Er war höflich. Ich war mir nicht hundertprozentig sicher, ob diese Höflichkeit wirklich seine Idee war oder ob er mein Unbehagen spürte. Er verhielt sich bei mir immer sehr, sehr vorsichtig. Tatsächlich tat er immer so genau, was ich wollte und was ich brauchte, dass ich mich fragte, ob ich ihn überhaupt kannte oder ob alles, was ich an ihm sah, nur das war, was er mich sehen lassen wollte.
»Du ziehst die Brauen zusammen. Was ist los?«, flüsterte er an meinem Ohr.
Was sollte ich darauf sagen? Dass ich ihn verdächtigte, mich ganz allgemein zu belügen? Er war zu perfekt, zu sehr der Mann, den ich brauchte. Folglich war es geschauspielert, richtig? Niemand war genau so, wie man ihn brauchte. Jeder enttäuschte einen irgendwie, oder nicht?
»Jetzt ziehst du sie noch stärker zusammen. Was ist los?«
Ich wusste nicht, was ich antworten sollte. Wieso wurde ich an diesem Abend nach so vielen Dingen gefragt, worüber ich nicht reden wollte? Ich entschied mich für die halbe Wahrheit. Das war besser als eine Lüge, schätze ich. »Ich frage mich gerade, wann du alles verderben wirst.«
Er zog den Kopf zurück, um mir ins Gesicht zu blicken, und zeigte mir seine Überraschung deutlich. »Was habe ich jetzt wieder gemacht?«
Ich schüttelte den Kopf. »Das ist ja das Problem: Du hast gar nichts gemacht, nichts Falsches jedenfalls.«
In dem Moment wollte ich seine Augen sehen, um zu wissen, was er dachte, und zog die Sonnenbrille ein Stückchen herab, bis ich über den Rand schauen konnte. Doch natürlich nützte das nichts, denn ich staunte lediglich, wie grün sie gerade aussahen. Wieder schüttelte ich den Kopf. »Mist.«
»Was ist denn?«
»Gar nichts, das ist es ja.« Selbst für meine Ohren hörte sich das unverständlich an; trotzdem war es wahr. Oder zumindest das, was mich beschäftigte.
Er reagierte mit diesem Lächeln, das teils verwirrt, teils ironisch wirkte, aber auch Selbstironie und noch etwas anderes zum Ausdruck brachte. Und es hatte nichts Heiteres an sich. Mit diesem Lächeln hatte ich ihn kennen gelernt und konnte es noch immer nicht deuten. Allerdings wurde es bei ihm immer seltener. Meistens war es zu sehen, wenn ich etwas Dummes tat. Selbst mir war klar, dass das gerade der Fall war, aber ich konnte es nicht ändern. Er war zu perfekt, und ich musste daran kratzen. Unsere Beziehung war zu gut, darum musste ich ausprobieren, ob ich sie kaputt machen konnte. Nicht dass ich das wollte, ich wollte nur sehen, wie viel sie aushielt. Das musste ich testen, denn wie gut konnte etwas sein, was keinen Test überstanden hatte? Nein, halt, das war es nicht. Die Wahrheit sah so aus: Ich könnte mit Micah glücklich sein, wenn ich es nur zuließe, und das begann mir auf die Nerven zu gehen.
Ich lehnte den Kopf an seine Halsbeuge. »Verzeih, Micah. Ich bin einfach müde und schlecht gelaunt.«
Er führte mich ein Stück zur Seite an den Rand der Tanzfläche. Nicht dass wir schon getanzt hätten. »Was ist denn los?«
Ich dachte darüber nach. Ich ließ etwas an ihm aus. Aber was? Dann kam mir die Erkenntnis. »Es hat mir nichts ausgemacht, die tote Frau zu sehen. Ich habe nichts dabei empfunden.«
»Du schottest dich gegen deine Gefühle ab, sonst kannst du deine Arbeit nicht tun.«
Ich nickte. »Ja, aber früher musste ich mich dazu anstrengen. Jetzt nicht mehr.«
Er sah mich über den Brillenrand hinweg stirnrunzelnd an. »Und das bedrückt dich? Warum?«
»Nur Soziopathen und Verrückte können sich die Opfer von Gewaltverbrechen teilnahmslos ansehen, Micah.«
Plötzlich nahm er mich in die Arme und drückte mich fest, hielt den Unterleib aber auf Abstand wie bei einem Freund, der Trost braucht. Na ja, ein bisschen intimer war der Abstand vielleicht. Er schien immer zu wissen, was ich gerade brauchte. Wie konnte er das, wo wir doch nicht ineinander verliebt waren? Mann, ich hatte Liebesbeziehungen gehabt, wo der Mann nicht einmal annähernd so viele meiner Bedürfnisse befriedigte.
»Du bist kein Soziopath,
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