Schwarze Träume: Ein Anita Blake Roman (German Edition)
bewegen.
Primo hielt noch immer mein Handgelenk an den Mund gepresst, und ich sah, dass seine Wunden zugeheilt waren und er wieder sehen konnte. Ich wusste durch Jean-Claudes Gedanken, dass Primo mit ein wenig besonderem Blut fast jede Verletzung bei sich heilen konnte. Er hatte nach einem Lykanthropen gegriffen. Aber mein Blut hatte es auch getan. Ich verstand jetzt, warum Jean-Claude ihn hatte haben wollen. Primo war ein machtvoller Soldat, sofern man ihn kontrollieren konnte. Die Ruhe in meinem Kopf war nicht meine eigene.
Primo ließ mein Handgelenk los und riss entsetzt die Augen auf. »Was bist du?«, flüsterte er.
»Nicht was, Primo, sondern wer«, erwiderte ich und streckte die Hand, die er gebissen hatte, nach ihm aus. Ich wollte nur sein Gesicht berühren, doch er schreckte ängstlich davor zurück. »Wer bin ich, Primo?«
Der große Vampir kauerte vor mir. Er erniedrigte sich vor mir, und ich erinnerte mich daran, dass er das vor langer Zeit vor seiner Schöpferin getan hatte. »Meister«, flüsterte er und musste sich zwingen, es auszusprechen. Er hasste es, dass er nie sein eigener Herr sein würde. Als er damals den blutigen Kuss entgegennahm, glaubte er, eines Tages selbst zu herrschen, und jetzt war er belehrt worden. »Du bist mein Meister.«
Sowie er mein Blut schmeckte, war er an mich gebunden worden. Diese Bindung bedeutete Besitz, wie er durch Sex, Liebe oder Freundschaft nicht zu erreichen ist. Er gehörte mir, nein, uns.
Die Verbindung zwischen Jean-Claude und mir war bei Primos Angriff weit geöffnet gewesen. Als er mich biss, hatte er nicht nur mich zu schmecken bekommen. Blut von meinem Blut, das war keine leere Phrase, sondern etwas höchst Wirksames. Und durch die offene Verbindung hatte er den Bluteid nicht einem, sondern zweien geschworen. Ich hatte Gewalt über die Toten, und Jean-Claude hatte Gewalt über jeden Vampir, der ihm den Bluteid schwor, ob freiwillig oder unter Zwang. Primo hatte doppelt Pech gehabt, weil mein und Jean-Claudes Blut in dem Moment eins gewesen waren. Einen Moment lang fragte ich mich, was das alles mit unserem widerstrebenden Richard machen würde, doch der Gedanke hielt sich nicht lange. Ich hatte selbst genug Probleme und brauchte Richards nicht noch zu meinen zu machen.
Ich blickte auf den großen Mann zu unseren Füßen und wusste, dass Jean-Claude sich seiner vollkommen sicher war. Vollkommen sicher, dass Primo durch den Eid beherrschbar war. Nicht dass ich Jean-Claudes Gedanken las. Ich spürte nur einfach, dass er sich wegen Primo keine Sorgen mehr machte. Er war zuversichtlich. Ganz im Gegensatz zu mir.
Ich drehte mich, um Jean-Claude anzusehen, um ihn zu überzeugen, wie gefährlich Primo noch sein konnte, aber natürlich sieht man daran, dass ich mich traute, ihn aus den Augen zu lassen, auch eine gewisse Vertrauensseligkeit. Und die war falsch. Er war personifizierter Zorn in Gestalt eines großen, muskulösen Körpers. Da war gar nichts sicher. Zu keiner Zeit.
Normalerweise hätte ich mich wieder zu Primo umgedreht, doch ich starrte Jean-Claude an und meine Umgebung verschwand. Es gab nichts mehr außer ihm. Schwarzer Samt war zu einer taillenkurzen Uniformjacke geschneidert, mit silbernen Knöpfen und einem hohen steifen Kragen versehen worden, zwischen dem sich ein Halstuch bauschte. Darin funkelte eine silberne Nadel mit einem Saphir. Die Jacke schmiegte sich um die breiten Schultern, betonte die schmale Taille und lenkte schließlich das Auge auf die schwarze Lederhose, deren Seiten von geflochtenen Lederschnüren zusammengehalten wurden, so als hätte er sie nicht übergestreift, sondern wäre darin gefesselt. Die Stiefel waren nur kniehoch und aus demselben dicken Samt wie die Jacke. Ich war bezaubert und wusste es und konnte doch nicht anders als ihn anstarren. Aber schließlich riss ich mich mit einem letzten Rest Selbstbeherrschung von dem Anblick los, denn hätte ich ihm weiter ins Gesicht geschaut, wäre ich endgültig verloren gewesen.
Eine schlanke Hand umgeben von weißer Spitze näherte sich meinem gesenkten Kopf, fasste mir ganz sacht unters Kinn und hob es an. Ich hätte Widerstand leisten können, aber ich wollte es nicht. Es hatte meine ganze Willenskraft erfordert, meinen Blick abzuwenden.
Seine schwarzen Locken hatten denselben feinen Glanz wie der schwarze Samt, seine Augen waren groß und schön, einen Ton dunkler als der Saphir an seinem Halstuch. Sein Gesicht war von makelloser Blässe, und die Finger unter
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