Schwarze Träume: Ein Anita Blake Roman (German Edition)
meinem Kinn waren wie Eis. Er war wie eine Statue, die nur darauf wartete, dass ihr jemand Leben einhauchte, ausgenommen die funkelnden Augen. Die Augen sprühten vor Lebendigkeit.
Seine Stimme war tief und sanft und strich durch mich hindurch wie ein Pelz. »Ma petite, lass mich herein. Lass mich herein. Lass mich nicht draußen in der Kälte.«
Ich öffnete den Mund, um zu sagen: Natürlich, doch ich schloss ihn wieder. Schon einmal, als wir noch nicht so sehr verbunden waren wie jetzt, hatte er sich an meiner Energie bedient, ohne Blut zu saugen. Das war nötig gewesen, weil große, böse Vampire in die Stadt gekommen waren und er vor ihnen nicht schwach erscheinen durfte. Und wenn die herausgefunden hätten, dass sein menschlicher Diener ihn nicht von seinem Blut trinken ließ, hätte er wirklich schwach dagestanden.
Er musste sich dringend stärken. »Warum?« Ich hörte mich heiser und widerspenstig an. »Warum ist deine Energie so verbraucht?«
»Ich habe mich sehr anstrengen müssen, um dir den Tag angenehmer zu machen.«
Ich legte eine Hand an seine Wange. »Du hast dich für mich verausgabt.«
»Für deinen Seelenfrieden«, flüsterte er, und seine Stimme kroch mir am Rückgrat hinunter wie ein Wassertropfen.
»Du willst dich sättigen«, sagte ich.
Er nickte knapp, sodass seine kalte Wange an meinen Fingerspitzen entlangstrich. In meinem Kopf flüsterte er: »Das muss ich, wenn ich Primo weiter im Zaum halten soll.«
»Du sprichst nicht von Blut.«
»Nein.« Er hob die andere Hand an meine verpflasterte Wange. »Bist du verletzt?«
»Nicht sehr«, sagte ich und klang fast wieder wie ich selbst. Ich begriff, dass er sich zurückgezogen hatte. Er ließ mich nachdenken. Das hätte er nicht tun müssen, aber er kannte mich zu gut. Wenn er mir jetzt keine Zeit zum Überlegen ließe, wäre ich später wütend.
»Du meinst nicht, was wir damals getan haben, als der Rat in der Stadt war, oder? Du meinst etwas anderes.«
Er antwortete in meinem Kopf: »Durch deine Bindung an Damian und Nathaniel ist etwas geschehen. Überall ist mehr Macht zu spüren, aber auch mehr Begierde. Ich darbe schon seit sehr langer Zeit, ma petite.« Er nahm mein Gesicht in beide Hände und schob die Finger bis in meine warmen Haare. Ich hörte ihn denken, dass er sich die Hände wärmte. So kalt, so leer, so bedürftig. So hatte ich ihn noch nie erlebt.
Das waren nicht seine Gefühle. Ich drehte mich so weit, dass ich Nathaniel sehen konnte, der hinten an der Wand stand und sich anlehnte. Er war zu weit weg, um seine Gefühle auf mich zu übertragen. Er blickte mich unbefangen an, und ich konnte ihn in meinen Gedanken nicht spüren. Da waren nur Jean-Claude und ich, trotzdem fühlte ich mich an Nathaniels und Damians Verlangen erinnert.
Ich blickte in Jean-Claudes dunkelblaue Augen und flüsterte: »Du hast etwas von ihrem Verlangen, von ihren Bedürfnissen abbekommen.«
»Das fürchte ich auch«, sagte er laut.
»Was können wir tun?«
»Lass mich zu dir herein, ma petite. Öffne deine wunderbaren Schilde für mich und lass mich herein.« Seine Stimme glitt über meine Haut, als zöge er ein Seidentuch über meinen nackten Körper.
Ich schauderte und bekam weiche Knie, sodass er mich festhalten musste. Ich blickte in seine Augen, in sein Gesicht und flüsterte: »Ja.«
Sein Gesicht füllte mein Blickfeld, dann spürte ich seine Lippen auf meinem Mund. Ich erwartete, dass er mich in die Arme zog und mich leidenschaftlich küsste, doch das tat er nicht. Er berührte mich ausschließlich mit dem Mund, und auch das nur äußerst sacht. Ich drängte mich ihm entgegen, hob die Hand, um ihn an mich zu ziehen, doch er hielt mich auf Abstand. Einen Moment später verstand ich, warum. Denn mir war, als ob mir die Seele auf die Lippen schwappte, als ob mein Wesen auf meinen Lippen zu kosten wäre. Meine Macht, meine Magie, mein Herz, mein Inneres, an allem konnte er sich dort bedienen, indem er nur meine Lippen streifte. Ich hatte geglaubt, wir hätten die Ardeur schon miteinander befriedigt, doch ich hatte mich geirrt. Er nippte zart von meinen Lippen, obwohl er so viel mehr wollte. Ich spürte das, spürte sein Verlangen. Doch er hielt mich mit beiden Händen auf Abstand, während ich versuchte, mich an ihn zu drängen. Doch ich wusste durch seine Gedanken, dass nackte Haut eine ungeheure Wirkung hätte, die ich nicht verkraften würde.
Es war der zarteste Kuss, den ich je bekommen hatte, und der frustrierendste. Tief in der
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