Schwarze Träume: Ein Anita Blake Roman (German Edition)
Kehle machte ich kleine Laute, weil ich mehr wollte. Ich wollte so viel mehr.
Als er mich losließ, hatte er Lippenstift am Mund. Seine Wangen hatten einen Hauch Farbe bekommen. Er sah aus wie der Winter, dem der Atem des Frühlings entgegenweht. Von Wärme konnte noch keine Rede sein, aber man konnte hoffen. Und hoffen war besser als verzweifeln.
Er schluckte krampfhaft, seine Lider senkten sich flatternd, dann straffte er sich und hielt mich fester. »Das ist nur eine Kostprobe von dem, was ich brauche, ma petite.«
»Hör nicht auf«, sagte ich.
Er lächelte, aber traurig. »Lass es eine Weile wirken, dann sag mir, ob du mehr geben willst.«
Ich schüttelte den Kopf. Was redete er da? Natürlich war ich bereit, mehr zu geben.
»Es ist mein Fehler, ma petite. Ich habe dich gebeten, mich hinter deine Schilde zu lassen. Ich meinte nicht, du sollst deine gesamte Abschirmung fallen lassen. Das war für uns beide fast zu viel.« Er blickte mich an, als sähe er da etwas Neues oder jemand Neues. »Ich muss mich um unser gutes Publikum kümmern.« Er näherte sich für einen Abschiedskuss, überlegte es sich aber anders und rief zu jemandem: »Kümmere dich um sie, bis es ihr besser geht. Nein, nicht du, du fasst sie erst an, wenn sie wieder sie selbst ist. Ich habe Angst davor, was sie sonst tun könnte.«
Dann hallte seine Stimme durch den Club bis in die dunklen Ecken und wirkte doch intim, als flüsterte er mit einer Geliebten. »Primo ist durch Feuer und Blut gegangen, um für Sie heute Abend neu geboren zu werden, verwandelt vor Ihren Augen vom Furcht erregenden Krieger zum traumhaften Liebhaber.«
»Sie sind zu verängstigt, sie werden es nicht glauben.« Das war Nathaniels Stimme.
Ich drehte mich nach der Stimme, blickte aber in ein anderes Gesicht. Nathaniel war ein Stück weit weg, außer Reichweite, aber dicht vor mir, sodass ich beim Umdrehen erschrak, stand Byron. Er war nicht ganz dreihundert Jahre alt, und normalerweise hörte ich ihn, wenn er sich näherte. Er war nicht besonders machtvoll und würde es nie sein, aber heute Abend hatte ich nicht bemerkt, dass er fast auf Tuchfühlung bei mir stand. Das machte mich sofort wieder nüchtern. Ich hatte einen der schwächsten Vampire, die Jean-Claude vor kurzem in der Stadt aufgenommen hatte, nicht wahrgenommen. Schlechter Nekromant, null Punkte.
»Du hast ihn nach so was noch nicht erlebt«, sagte Byron mit seinem netten britischen Akzent. »Sieh es dir an.«
Ich zwang mich, nicht Jean-Claude anzusehen, sondern auf die Zuschauer zu achten. Ihre Augen waren groß, die Gesichter blass oder gerötet. Einige kauerten noch unter den Tischen. Wenn der Kampf nicht zwischen ihnen und dem Ausgang stattgefunden hätte, wären sie wahrscheinlich geflüchtet. Auf ihrer Stirn stand groß und deutlich »Ich habe mir vor Angst in die Hosen gemacht«. Bestimmt hatten sie noch nie so viel Blut auf einmal gesehen. Grausig.
Solange ich die Leute ansah, konnte ich Nathaniel nur zustimmen, aber als mein Blick zu Jean-Claude wanderte, während er zu ihnen sprach, tja … ich musste weggucken. Ich durfte nicht hinsehen, weil meine Sehnsucht noch immer da war. Mir war gesagt worden, mein Wunsch, ihn anzufassen, sei für die Meister-Diener-Beziehung ganz normal, aber ich hatte es nicht ganz ernst genommen. Jetzt spürte ich, was Sehnsucht war.
Plötzlich merkte ich, dass ich Primo anstarrte, der noch auf Knien war und umringt von ein paar Kollegen ein verwirrtes Gesicht machte. Er blickte mich gequält an und sagte: »Du hast mich in eine Falle gelockt.«
Ich wollte erwidern: Das war nicht meine Absicht, doch jemand griff nach meinem Handgelenk und das tat weh. Brennender Schmerz fuhr mir in den Arm. Ich fuhr herum. Es war Byron, der mich anfasste. »Lass mich los.«
Er öffnete die Hand und ließ meinen Arm fallen. »Du blutest«, flüsterte er. »Jean-Claude hat gesagt, ich soll mich um dich kümmern. Lass mich die Wunde versorgen.« Ich sah in ein Gesicht, das noch jünger und unschuldiger wirkte als Nathaniels. Er war keine zwanzig gewesen, als er zum Vampir gemacht wurde. Seine Haare waren hellbraun und fielen lockig bis knapp über die Ohren und ließen den schlanken Hals frei. Er trug einen Morgenmantel. Mir fiel ein, dass jemand gesagt hatte, dass die Collegestudenten Byrons Auftritt mit Zwischenrufen gestört hatten. Also hatte er eben noch auf der Bühne gestanden.
Er war kleiner als ich und schlank, wirkte nicht kindlich, aber jung, unfertig, und so würde
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