Schwarzer, Alice
Männern zu teilen, sollten unsere muslimischen Schwestern
diese Gelegenheit ergreifen und sie auf den Islam und seine Werte hinführen.«
Als spezielles Angebot für deutschsprachige Muslime
geriert sich die Internetseite Muslim-Markt, betrieben von den beiden
türkischstämmigen Brüdern Yavuz und Gürhan Özoguz, die sich im Laufe ihres
religiösen Lebens dem schiitischen Islam zuwandten, offene Bewunderer der
islamischen Revolution und ihrer Protagonisten sind und im Titel ihres Buches
treffend von sich behaupten: »Wir sind fundamentalistische Islamisten in Deutschland.«
Muslim-Markt bietet auf alles eine Antwort und liefert unterm
Strich die perfekte Anleitung zur Parallelgesellschaft. Stellen- und
Heiratsanzeigen sollen beruflich wie privat die rechte Vorauswahl treffen, ein
eigenes Branchenbuch garantiert Waren und Dienstleistungen für Muslime; vom
islamischen Lebensmittelhandel reichen die Links und Empfehlungen zu
islamischer Sport- und Bademode (www.mhaditec.de), uneinsehbaren Friseursalons,
alkoholfreien Hotels etc.
Özoguz betreibt auch den Internetauftritt des von ihm verehrten
obersten iranischen Gelehrten Ali Khamenei www.khamenei.de. Es ist
schockierend, wie in geradezu jeder noch so kurzen Auskunft von den »Feinden
des Islam« die Rede ist und der Religionsgelehrte seine tiefe Verachtung
westlicher Lebensweise zum Ausdruck bringt. Die Rolle der Frau wird weitgehend
auf Äußerlichkeiten, nämlich die passende Kleidung, reduziert. Auf die Frage
nach der zentralen Rolle der Frau in der Bewahrung der islamischen Gesellschaft
antwortet der Gelehrte: »Ihre wichtigste Pflicht ist, die islamische
Frauenbedeckung (hidschab) zu bewahren und sich zu wehren gegenüber der
Kleidung, die als Nachahmung der feindlichen Kultur gewertet wird.«
Das Medium Internet beschleunigt also die Verbreitung des
fundamentalistischen Gedankengutes, erreicht Millionen von Menschen und
beeinflusst besonders stark Jugendliche und Frauen. Ein systematischer Auftritt
eines aufgeklärten liberalen Islam aber fehlt auch hier nahezu vollständig.
Warum? Das Medium steht allen offen, nicht zuletzt übrigens denen, die sich in
freier Entscheidung von ihrem Glauben abgewandt haben: siehe www.
ex-muslime.de. ■ EMMA 5/2007
ALICE SCHWARZER / EU-BEITRITT - KOMMEN
DIE TÜRKEN?
Die Dutzende persönlicher Briefe und Mails, die mich nach
meiner Teilnahme an zwei TV-Runden zur Frage des EU-Beitritts der Türkei
erreichten, scheinen mir symptomatisch für die Stimmung im Lande. Eine
überwältigende Mehrheit begrüßte meine »klaren Worte« für Freundschaft statt
Beitritt. Nur eine Türkin bezichtigte mich des Rassismus, ja der Endlösung für
Türken (»Kopftuchträgerinnen nach Auschwitz?«).
Eine weitere Türkin fragte echt besorgt, ob es denn wirklich
stimme, dass ich den Koran gleichgesetzt habe mit »Mein Kampf«, dieses Gerücht
kursiere (Es stimmt selbstverständlich nicht: Ich habe die Islamisten
gleichgesetzt mit den Faschisten). Ein Türke hingegen fürchtet, ich sei naiv,
denn man müsse die aktuelle Führung der Türkei noch viel kritischer sehen, als
ich es bereits tue (»Erdogan ist ein Wolf im Schafspelz«). Und eine Deutsche
schreibt enttäuscht, ich wäre doch bestimmt auch für die Gleichberechtigung der
Türkinnen, und gerade denen würde doch der Beitritt helfen.
Wir sehen schon an solchen Reaktionen, dass die Beantwortung
der Frage nicht einfach ist. Zu viele (Res)Sentiments und Interessen spielen
hinein. Hinzu kommt, dass zweieinhalb Millionen Türkinnen in Deutschland
leben, von denen eine Mehrheit eingebürgert ist oder wird. Gleichzeitig wächst
die Anzahl der nicht integrierten Türkinnen.
Die dritte Generation der Deutsch-Türken spricht
schlechter Deutsch als die zweite, was an den Versäumnissen der Deutschen
ebenso liegt wie an der Agitation der Islamisten. In den marginalisierten
Gettos geht ihre Saat der Verachtung von Demokratie und Verklärung des
Gottesstaates auf. Die Zuläufe der Jungmänner zu diesen Rattenfängern sind
alarmierend - die abnehmende Hilfe für die zwischen den Kulturen zerrissenen
jungen Frauen und die in die Wohnungen eingeschlossenen Mütter nicht minder.
Selbstverständlich ist eine Ablehnung des Beitritts der
Türkei keineswegs gleichzusetzen mit einer Ablehnung der Türkinnen in
Deutschland oder der Türkei. Doch schon jetzt versuchen die Populisten aller
Lager Profit zu schlagen aus der Debatte. Die CSU erwägt plötzlich eine
»Unterschriftensammlung« gegen
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