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Schwarzer, Alice

Schwarzer, Alice

Titel: Schwarzer, Alice Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die grosse Verschleierung
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Tag
für Tag neu zu entscheiden, was »angemessen« und was »provokativ« ist...
    In Berlin, wo die SPD das Kopftuch im Schuldienst verbieten
will, profilieren sich die KoalitionärInnen von der PDS als
Bedenkenträgerinnen. Sie lassen sich auch nicht davon irritieren, dass eine überwältigende
Mehrheit der Berliner Bevölkerung für ein Kopftuchverbot in der Schule ist. Auf
die infratest-dimap-Frage »Sollten Frauen muslimischen Glaubens im Staatsdienst
Kopftuch tragen dürfen?« antworten zwei Drittel: »Nein!« - darunter 60 Prozent
der traditionell atheistischen PDS-Anhängerinnen. Doch die Parteiführung pocht
edel auf die »verfassungsrechtlich garantierte Freiheit des Glaubens«.
    Während so manche Ungläubige immer frommer werden, quälen
einige Gläubige zunehmend die Zweifel. Allen voran den neu gewählten Chef der
Evangelischen Kirche Deutschlands (EKD) Wolfgang Huber, der früher gegen ein
Kopftuchverbot im öffentlichen Dienst war und inzwischen dafür ist. Denn: »Die
Kopftuchpflicht stammt nicht aus dem Koran, sondern gehört in den Entwicklungszusammenhang
des Islamismus.« Ob der in Sozialtheologie habilitierte Berliner Bischof damit
für eine Minderheit in der evangelischen Kirche steht oder für eine sich formierende
Mehrheit - das ist noch offen.
    Dabei hatte der Verfassungsschutz im November 2003 öffentlich
enthüllt, was gut Informierte schon lange wissen: Fereshda Ludin, die so gerne
verbeamtete Lehrerin mit Kopftuch wäre, hat von 1997 bis 1999 im Vorstand der
»Muslimischen Jugend« gesessen. Dieser vom Bundesfamilienministerium mitfinanzierte
Jugendclub soll seit Jahren »organisatorische und personelle Berührungspunkte«
mit einschlägig verdächtigen Organisationen haben: der militanten
Muslimbruderschaft (arabisch), dem in Deutschland verbotenen Al-Aksa-Verein
(palästinensisch) und der islamistischen Milli Görüs (türkisch).
    Und so schließt sich mal wieder der Kreis: Wer hat zu den
Pro-Kopftuch-Demos in Berlin und Köln aufgerufen? - Die »Muslimische Jugend«,
lange angeführt von Ludin. Es ist nicht mehr zu übersehen, dass eine kleine,
gut geschulte Elite vorgeschickt wird, um - wie in Köln - pseudofeministische
Propaganda für die Verhüllung von Frauen zu machen: Wir tragen das Kopftuch
und sind trotzdem emanzipiert! Manchmal wissen diese Propagandistinnen genau,
was sie tun; manchmal auch nicht - wie in dem Fall des Mädchens, das mit dem
Märtyrerband seine Bereitschaft zum »Märtyrertod« signalisiert.
    Anscheinend ist Anfang des neuen Jahrtausends in Deutschland
angekommen, was Mitte des letzten Jahrhunderts in Ägypten begann. Dort standen
in den 1950er-Jahren universell denkende muslimische Feministinnen wie Doria
Shafik kurz davor, sich durchzusetzen. Aber dann traten scheinfeministisch
agitierende islamistische Differentialistinnen gegen sie an - an vorderster
Front Zaynab Ghazali. Der Islamwissenschaftler Hans-Peter Raddatz nennt in
seinem Buch »Allahs Schleier« die eine Richtung den »Doria-Typ« und die andere
den »Zaynab-Typ«.
    Doria Shafik, die an der Pariser Sorbonne studiert hatte,
gab ab 1945 in Kairo das Frauenrechts-Magazin Die Niltochter heraus. Der von ihr
zusammengetrommelte Nationalrat ägyptischer Frauen organisierte
Großdemonstrationen für Demokratie und Gleichberechtigung - vergeblich. 1957
wurde Die Niltochter verboten
und ihre Herausgeberin unter Hausarrest gestellt. Die frühe Pionierin beging
später Selbstmord.
    Im Gegensatz zu Doria Shafiks emanzipiertem Frauenprogramm,
das wirkliche Gleichberechtigung wollte, kam das differenzialistische von
Zaynab Ghazali, das den Unterschied betonte, bei den tonangebenden Männern in
Ägypten gut an. Ende der 50er-Jahre assoziierte die Muslimschwester ihre 1936
gegründete »Muslim Women's Association« mit der Muslimbruderschaft, der
ideologischen Urzelle des heutigen weltweiten islamistischen Terrors. Die
Muslimbrüder brauchten gebildete Missionarinnen für die globale Verbreitung
des »Islamischen Aufrufs«. Ob als Pädagogin, Juristin oder Journalistin - »im
Prinzip« genoss diese »neue muslimische Frau«, die nicht gleichberechtigt war,
sondern als »gleichwertig« galt, neue Freiheiten, das allerdings nur in einem
fest abgesteckten Rahmen. Der erschloss ihr zwar öffentlichen Bewegungsraum,
aber nur unter der Voraussetzung, dass »nach wie vor Ehe und Mutterschaft die
unverzichtbare Basis ihrer Existenz« bleiben und »der Mann ihr Maßstab«.
    Muslimschwestern dieses Typs marschierten auch

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