Schwarzer, Alice
Schuldienst wirbt,
Stimmung für »religiöse Vielfalt statt Zwangsemanzipation«. Unterstützt wurde
die Grüne dabei unter anderen von Rita Süssmuth (CDU), Barbara John (CDU),
Renate Künast (Grüne) und Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP). Becks
Pro-Kopftuch-Aufruf haben überwiegend Frauen christlicher Herkunft
unterzeichnet.
Unter dem »Becklash« gegen das Kopftuch (mitinitiiert von
der Filmemacherin Heike Sander) stehen vor allem Frauen mit muslimischem
Hintergrund. Sie werfen Beck & Co vor, gegen das Gleichheitsgebot im
Grundgesetz (Artikel 3, Absatz 2) zu verstoßen und im Namen der Religionsfreiheit
die systematische Entrechtung von muslimischen Mädchen und Frauen zu tolerieren,
wenn nicht gar zu betreiben: kein Sprach-, Sport- und Sexualkundeunterricht;
weder Klassenfahrten noch Jugendfreizeiten; Ausgeh- und Berufsverbote;
Entführungen und Zwangsverheiratungen etc.
»Becklash« - eine Kombination aus »Beck« (Marieluise) und
»Backlash« (Rückschlag) - war nur eine von zahlreichen Reaktionen auf die
deutschen Kopftuchsympathisantinnen. »Anscheinend sind Sie sich dessen nicht
bewusst, dass die Mehrheit der Musliminnen in Deutschland kein Kopftuch
trägt!«, beschwerten sich »demokratisch gesinnte Migrantinnen«, darunter die
Sozialdemokratin Dilek Kolat sowie die Autorinnen Azu Toker und Cherifa Magdi.
Und bei EMMA hagelte es Kopien der wütenden Proteste bei
Beck &. Co, Becks Aktion wurde zum Bumerang. Trockener Kommentar des
Berliner Junge-Union-Chefs Peters: »Die Damen stellen aus falsch verstandener
Liberalität nützliche Idioten des fundamentalistischen Islam dar.«
FDP-Chef Westerwelle hatte schon im September nach dem
Urteil des Bundesverfassungsgerichts unmissverständlich für Laizismus plädiert:
»Die religiöse Neutralität an den Schulen ist eine ganz entscheidende
Voraussetzung dafür, dass kein Kind in eine Richtung gedrängt wird, in die es
selbst nicht gedrängt werden will und in die auch die Eltern nicht wollen.«
Von wenigen Abweichlerinnen (wie Ex-Justizministerin Leutheusser-Schnarrenberger)
abgesehen, steht die FDP in der Kopftuchfrage an der Seite der CDU/CSU, die
(Rita Süssmuth und Barbara John ausgenommen) geschlossen gegen das Kopftuch im
Schuldienst ist. Obwohl die Christdemokratinnen fürchten, dass, wenn es aus dem
Klassenzimmer verbannt wird, das Kruzifix ebenfalls verschwinden muss.
Die Konservativen scheinen auch das Spiel mit der falschen
Toleranz klarer durchschaut zu haben als die Linken. Die Bundesvorsitzende der
Frauen-Union Maria Böhmer: »Unabhängig davon, ob man das Kopftuch als
religiöses oder auch politisches Symbol betrachtet, verstößt es gegen die im
Grundgesetz verankerte Gleichberechtigung, weil es die dienende Funktion der
Frau betont.«
Der Gefahr des Islamismus auch mitten in Deutschland hat
das Bundesinnenministerium jüngst ein ganzes Buch (u.a. mit Studien über junge
Musliminnen) gewidmet, das jedeR kostenlos bestellen oder downloaden kann.
Aufklärung ist angesagt gegen die allgemeine Verwirrung. Otto Schily im
Vorwort: »Die gesellschaftliche Integration des Islam wird nur auf der Grundlage
eines politisch säkularen Selbstverständnisses gelingen, das ein eindeutiges,
vorbehaltloses Bekenntnis zur freiheitlichen Demokratie des Grundgesetzes
einschließt.«
Dennoch sind nicht wenige Sozialdemokratinnen noch immer
zögerlich oder gar pro Kopftuch, wie in Nordrhein-Westfalen. Dort hat der
SPD-Justizminister Wolf gang Gerhards nicht nur nichts gegen Lehrerinnen mit
Kopftuch - ihn stört auch nicht, wenn sogar Staatsanwältinnen und Richterinnen
ihr Haupt verhüllen. Die sozialdemokratische NRW-Schulministerin Ute Schäfer
hingegen würde das Kopftuch im öffentlichen Dienst inzwischen gerne ganz
verbieten. Doch da sind die Grünen vor, die in Düsseldorf mitregieren.
Die »Multikulti«-Partei ist bundesweit offensiv für das
Kopftuch im Staatsdienst, Begründung: »Niemand darf wegen der Ausübung
religiösen Glaubens bei der Ausübung seines Berufs benachteiligt werden.«
Damit spielt Omid Nouripur vom grünen Bundesvorstand auf die Berufsverbote der
70er gegen kommunistische Lehrerinnen an. Auch in Baden-Württemberg - dem Land,
das durch alle Instanzen von Ludin verklagt wurde - sollen muslimische
Lehrerinnen, ginge es nach den Grünen, das Kopftuch »in angemessener, nicht
provokativer Form« tragen dürfen. Käme das durch, fiele der Unterricht
vermutlich ganz flach, weil die Zeit dafür draufginge, in jedem Einzelfall
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