Schwarzer, Alice
äußerst wohlwollend und
verständnisvoll über die Attentäter und voller Verachtung über die westliche
Demokratie, wie verkommen »der Westen« doch sei.
Als ich eines Tages mit ihr in einem türkischen Restaurant
saß, brachte ich die Situation der Frauen in Saudi-Arabien zur Sprache. Ich
sagte ihr, dass ich nicht gewillt sei, in ein Land, das Frauen so entrechte,
eine Wallfahrt zu machen. Sie hörte mir zu, lehnte sich zurück, blickte mich
verträumt an und meinte: »Ach, Arabien. Das muss ein tolles Land sein. Da kann
man bestimmt noch den echten, authentischen Islam leben.« Ich starrte sie entgeistert
an, konnte kaum glauben, was ich da hörte. Hatte sie mich denn nicht verstanden?
Solche Erfahrungen machte ich zunehmend, auch mit anderen
muslimischen Frauen. Ich erfuhr von Zwangsehen und traf einige dieser Frauen
persönlich. Viele muslimische Frauen erzählten mir, dass ihre Männer sie zu
Hause einsperrten, dass sie nur in Begleitung das Haus verlassen durften oder
dass sie wiederholt brutal geschlagen würden. Meist wurde mir das sehr
verschämt anvertraut. Auch von deutschen Konvertitinnen. Diese Frauen wehrten
sich jedoch nicht, sondern unterstützten sogar noch das Gebaren ihrer Männer
und interpretierten es als Kompliment (»so sehr liebt er mich«).
Eines Tages traf ich eine junge US-Amerikanerin, die vor
ihrer Konversion in den USA Soldatin gewesen war. Sie war seit geraumer Zeit
mit einem Libanesen verheiratet, mit dem sie einen Sohn hatte. Als ich sie
besuchte, zeigte sie mir Fotos aus ihrer Zeit als Soldatin und erzählte mir,
wie sie als Soldatin zum Islam konvertiert war. Eine echte Powerfrau, dachte
ich. Doch diese so selbstbewusste, ja draufgängerisch wirkende junge Frau ließ
sich seit Jahren von ihrem libanesischen Mann und dessen Familie wie ein
unmündiges Kind schikanieren und misshandeln: Ihr Mann schlug sie und verbot
ihr, das Haus zu verlassen. Sie hatte keinen Job mehr und sprach den ganzen Tag
nur noch über den Islam und wie sie sich an dessen Gebote hielt. Sie hatte sich
völlig passiv in ihr Schicksal ergeben.
Und als ich einmal mit anderen Frauen bei einer Muslima zu
Gast war, von der ich wusste, dass sie als 15-Jährige zwangsverheiratet worden
war, musste ich miterleben, wie sie sich lauthals über ihre jugendliche Tochter
beschwerte, die abends mit Freundinnen weggehen wollte. Wieder wurde das
Schreckensbild der angeblich völlig enthemmten, unmoralischen, verkommenen
deutschen Gesellschaft beschworen. Zur Not, so die Mutter, würde sie eben ihre
Tochter mit Schlägen von ihrem Vorhaben abbringen müssen. Kaum eine der
anwesenden Frauen widersprach.
Dass dies kein Einzelfall ist, zeigte sich bei einer
Internetdiskussion in einem eigentlich sehr liberal anmutenden muslimischen
Frauenforum, in dem sich fast ausschließlich Konvertitinnen engagierten.
Einige der Frauen vertraten dort die Meinung, dass das Schlagen von Frauen im
Islam nun mal erlaubt sei. Dazu könne man stehen, wie man wolle, das sei eben
nun mal das von Gott zugebilligte Recht des Mannes. Viele Frauen widersprachen
zwar, aber nur halbherzig.
Geradezu harmlos muten daneben von mir immer wieder erlebte
Diskussionen an, wie die, in denen sich gebildete erwachsene Frauen die Köpfe
heißreden, ob man im Ramadan zum Zahnarzt gehen dürfe. Man könne ja
versehentlich ein bisschen Wasser verschlucken, womit dann der gesamte
Fastentag ungültig sei und man ihn nachholen müsse.
Als ich mich eines Tages mit einigen Frauen in der Moschee
zum Gebet traf, umringten mich sofort drei von ihnen und nahmen mich noch am
Eingang der Moschee zur Seite: So gehe das aber nicht, sagten sie eindringlich.
Ich hätte den falschen Schuh zuerst ausgezogen und hätte wieder mit dem
falschen Fuß die Moschee betreten (Man soll immer den rechten Schuh zuerst
ausziehen und mit dem rechten Fuß zuerst die Moschee betreten).
Als ich wieder allein zu Hause war, geriet ich in eine
maßlose Wut: Darüber, wie strikt, ja unbarmherzig und allumfassend die soziale
Kontrolle innerhalb der muslimischen Gemeinschaft war. Hatte mich früher je ein
anderer Christ in einer Kirche öffentlich gemaßregelt, weil ich das Gotteshaus
mit dem »falschen« Fuß betreten hatte? Hinzu kam: Auch wenn ich nicht mit einem
Muslim verheiratet war, hatte auch ich dennoch selbst oft genug im Job wie im
Privatleben unter den Macho-Allüren und den perversen, extrem frauenfeindlichen
Ehrbegriffen muslimischer Männer zu leiden.
Der Behauptung, das seien doch
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