Schwarzer, Alice
alles nur patriarchale,
unislamische Traditionen, muss ich scharf widersprechen: Denn es gibt klare
Aussagen im Koran, die die angebliche Minderwertigkeit der Frauen festschreiben
und das Recht des Mannes, sie zu schlagen. Was bitte gibt es an dem Vers, der
das Schlagen von Frauen erlaubt, zu interpretieren? Darum ist die - vor allem
bei Dialogveranstaltungen - wiederholte Behauptung vieler Muslime, das habe
doch alles gar nichts mit dem Islam zu tun, falsch.
Zusätzlich plagten mich aber auch generelle Glaubenszweifel:
Die unzähligen Verbote, die dauernde Zwangsbeterei in einer mir völlig fremden
Sprache, selbst das islamische Gottesbild überzeugte mich nicht länger: Die
meisten Muslime haben Angst vor Gott und schüren auch bei anderen diese Angst.
Der Islam hat ein Gottesbild, das auf frommer Leistung und Kadavergehorsam
beruht und leider viel zu oft in Doppelmoral und Bigotterie endet.
Schlimmer als diese theologischen Probleme wog für mich
allerdings die muslimische Wirklichkeit, die ich nonstop erlebte: Ablehnung und
Hetze gegen die westliche Gesellschaft, unverhohlener Hass auf Juden, massive
Unterdrückung von Frauen, Machoverhalten muslimischer Männer, Gewalt und
Brutalität, Lügen...
Sobald Muslime unter sich sind, reden und verhalten sie
sich meist völlig anders. Viele sind zudem beseelt von der Vision, dass der
Islam überall herrschen sollte. Auch in Europa. In der westlichen Demokratie
sehen sie nichts Positives, es sei denn, sie dient ihren Zwecken. Manche lachen
sogar über die Toleranz und den Langmut der hiesigen Bevölkerung.
Selbst die meisten liberalen Muslime, denen ich in meiner
Zeit als Muslima begegnet bin, haben die Forderung nach einer Reform empört
zurückgewiesen. Meiner Meinung nach ist der Islam eigentlich überhaupt nicht
in unsere liberale, demokratisch-rechtstaatliche Gesellschaft integrierbar. Das
ist mein trauriges Fazit.
2005 bin ich aus der Großstadt mit einer großen muslimischen
Community in eine Kleinstadt umgezogen. Dort kam ich unweigerlich in Kontakt
mit meinen neuen, nichtmuslimischen Nachbarn. Mit Menschen, die ich noch kurz
zuvor als ungläubig, kleingeistig und ignorant beschimpft hatte. Massive
Zweifel am Islam hatte ich zu diesem Zeitpunkt ja ohnehin schon. Jetzt musste
ich zudem feststellen, dass ich mich selbst zur Fremden gemacht hatte. Spontan
entschloss ich mich, das Kopftuch abzulegen.
Ich habe das Ablegen des Kopftuchs als wahre Befreiung erlebt.
Ehrlich gesagt, genoss ich es wieder in vollen Zügen, endlich in kurzen Hosen
und T-Shirt über die Felder radeln zu dürfen und den Wind auf meiner Haut zu
spüren. Wieso sollte ich deswegen eine Hure sein?
Zunächst hatte ich trotzdem noch irgendwie gehofft, den Islam
liberal leben zu können. Ich hatte immer noch Kontakt zu Muslimen, wurde aber
allein für meine Entscheidung gegen das Kopftuch so massiv angefeindet - viele
Muslime brachen schon deswegen den Kontakt zu mir ab -, dass ich den Islam
schließlich nach vier Jahren endgültig verließ. ■ EMMA
4/2009
ANONYMA / ICH HABE MEIN KOPFTUCH
ABGELEGT!
»Ich musste mein halbes Leben in einem islamischen
Kulturkreis verbringen, hier, mitten in Deutschland«, heißt es in einer Mail an
EMMA. »Ich bin in jeglicher Hinsicht streng muslimisch erzogen worden, das ganze
>islamistische Programm<.
Ich habe Schlimmes erlebt. Jahrelang habe
ich es verdrängt und verleugnet, aber nun funktioniert das nicht mehr.« Die das
schreibt, ist Deutsche, Polizistin, Ende Zwanzig. Nennen wir sie Imke Erdmann (Name
geändert). Imke Erdmann ist zierlich, aber sportlich. Bei ihrem Besuch in der EMMA-Redaktion
trägt sie flache Schuhe und schwarze Jeans. Ihr langes dunkelblondes Haar fällt
lose über die Schultern. Sie trägt ihr Haar erst seit zwei Monaten so. Früher
war es jahrelang unter einem Kopftuch verborgen. »Der Schritt vom Kopftuch zu offenen
Haaren ist riesig«, sagt sie. Und »auch mal was Nettes anzuziehen«, fällt ihr immer
noch schwer. »Aber langsam werde ich stolz darauf, eine Frau zu sein.«
Der Horror fing durch einen Zufall an. Ich war vier und
mein Bruder Heiner acht. Unsere Eltern waren seit einem Jahr geschieden, von
unserem Vater hatten wir seither nichts mehr gehört. Aber meine Mutter
verdiente gut als Geschäftsführerin. Sie war eine Schönheit. Heute noch, mit
59, ist sie sehr attraktiv. Meine Mutter ist eine von den Frauen, die nicht
ohne Männer leben können; neulich hat sie zum dritten Mal geheiratet. Ihren
zweiten
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