Schwarzer, Alice
Realschulklasse zurück, weil meine
Zensuren vor der »Beurlaubung« so gut gewesen waren. Die Versetzung habe ich
ohne Probleme geschafft, obwohl nach unserer Rückkehr die »Gehirnwäsche«
begann. Volles Programm!
In Berlin gab es damals nur türkische Hinterhof-Moscheen.
Mein Stiefvater schleppte mich in eine, weil ich unbedingt am Koran-Unterricht
für Mädchen teilnehmen sollte. Doch damit kam ich überhaupt nicht klar. Denn in
dieser Moschee wurde der Koran in einem »türkischen Arabisch« vorgelesen, es
klang völlig anders als das Arabisch, das ich aus Ägypten kannte. Damals hatte
ich noch Mut. Ich weigerte mich, weiter in die türkische Moschee zu gehen. Daraufhin
beschloss mein Stiefvater, mich selbst zu unterrichten, mit einem ins Deutsche
übersetzten Koran und den Hadithen auf Deutsch.
Zum Beispiel Nummer 664: »Allahs Gesandter hat gesagt:
>Wenn eine Frau die fünf Gebete verrichtet, im Fastenmonat fastet, ihre
Scham hütet und ihrem Gatten folgt, mag sie in das Paradies eintreten, durch
welches Tor sie will.<« Oder Nummer 665: »Allahs Gesandter wurde einmal
gefragt: >Welche Frau ist die beste ?< Er antwortete: >Die Frau, die
ihren Gatten erfreut, wenn er sie ansieht, die ihm folgt, wenn er ihr etwas
aufträgt, und die nicht in Bezug auf sich selbst und ihr Hab und Gut eine
Meinung vertritt, die ihr Gatte verabscheut.<«
Dieser Mann begann, mir einzureden, dass Frauen »von Natur
aus dumm« sind und ich »besonders dumm« wäre. Ich verstummte und fühlte mich
oft wie seine Haushaltssklavin: den Säugling Miriam hüten und versorgen,
ägyptisches Essen kochen, Wäsche waschen, die Wohnung putzen - und selbstverständlich
das »Spinnen-Spiel«, sobald meine Mutter das Haus verließ.
Von ihr hatte ich überhaupt keine Unterstützung mehr zu erwarten.
Im Gegenteil. Sie unterwarf sich ihm jetzt völlig, da sie wegen der
»Baby-Pause« ihren Beruf aufgegeben hatte. Er war nun der »Familienernährer«.
Jedenfalls behauptete er das. Den Großteil des Geldes, das er als Dolmetscher
verdiente, schickte er nach Ägypten. Im Grunde lebten wir von den Ersparnissen
meiner Mutter, die sehr geschäftstüchtig ist. Sie hatte sogar so viel Geld zur
Seite gelegt, dass sie ein Mietshaus für fünf Parteien kaufen konnte, wenn auch
mit Schulden belastet. Ins Grundbuch wurde dieser Mann als gleichberechtigter Miteigentümer eingetragen,
obwohl er kaum was dazu beigetragen hatte.
Ich wurde noch nicht geschlagen, damit fing er erst an,
als wir das »Spinnen-Spiel« nicht mehr spielten. Meine Mutter prügelte er
windelweich. Ich weiß noch, einmal entwand sie sich ihm, griff sich ein
Küchenmesser, floh damit ins Schlafzimmer und schloss die Tür hinter sich ab.
Ich dachte: »Jetzt schlitzt sie sich die Pulsadern auf!« Ihm war das egal, er
kümmerte sich nicht drum. Ich hingegen rüttelte verzweifelt an der Türklinke,
so lange, bis sie die Tür öffnete. Was war ich erleichtert! Sie hatte sich mit
dem Küchenmesser ihr schönes langes Haar abgeschnitten, das er sehr mochte. »Um
ihn zu ärgern«, sagte sie. Das war eines der wenigen Male, die sie noch zu
ihrer Art von Hochform auflief.
Nach der Geburt meiner Schwester Miriam begannen wir,
durch Deutschland zu reisen, an Wochenenden. Wir fuhren zu allen Islamischen
Zentren (IZ), die, wie ich jetzt der EMMA entnahm, vom Verfassungsschutz als
»islamistisch« eingestuft werden: zum IZ Hamburg, zum IZ Aachen, zum IZ
München. Wir waren auch oft bei dem »netten Opa« Mohammad Rassoul und seiner
deutschen Frau in Düsseldorf zu Gast.
Im Oktober 2005 habe ich ihn im Fernsehen wiedergesehen. Monitor interviewte den »Schriftsteller und Islamgelehrten«, diese
»sehr konservative Stimme unter den Muslimen in Deutschland« für einen Beitrag
mit dem Titel: »Kindergeburtstag verboten - wie strenggläubige Muslime ihre
Kinder abschotten«. Rassoul sagte: »Ich würde nicht empfehlen, Geburtstag zu
feiern, weil das ein Verderb ist.« Der Glaube enthalte Gebote und Verbote,
welche die entscheidende Richtschnur für Muslime seien. Auf die Frage des
Reporters, ob das denn nicht mit der deutschen Verfassung kollidiere,
antwortete Rassoul: »Die Verfassung ist ein Menschenwerk. Und der Glaube ist
göttliches Werk.«
Wenn wir am Wochenende nicht durch Deutschland reisten,
bekamen wir Besuch, meist von deutschen Konvertiten. Das sind die Schlimmsten,
die wollen alles 200-prozentig machen. Superheilig und superfromm. Den Kindern
einer Konvertitin aus Aachen war es sogar verboten,
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