Schwarzer Koks (German Edition)
2011
»Boss? Was ist passiert?«
Elijah fuhr kerzengerade auf. Wo zum Teufel war er?
»Boss?«
Elijah rieb sich die Augen. Er saß auf der unteren Matratze eines Stockbetts. Das kindliche Gesicht vor ihm war mal mehr, mal weniger scharf. Es hatte runde Augen und eine stumpfe Nase, Strähnen schwarzen Haars umgeben von einer Aura weißen Lichts.
»Großer Gott«, murmelte Elijah.
»Nicht Gott.« Das Kindergesicht stieß ein glucksendes Lachen aus. »Patrice. Alles in Ordnung mit dir?«
»Wo bin ich?«
»Auf dem Boot, Boss. Was ist passiert?«
»Weiß ich nicht mehr«, stammelte Elijah. Er wischte sich den Schweiß von den Backen und lehnte sich gegen die Wand. Der Raum drehte sich um ihn.
Patrice machte eine ausladende Geste. »Hier sieht’s ja aus, als wäre eine Bombe hochgegangen.«
Auf dem Boden lagen Stieltöpfe, zerschlagene Teller, Tassen, Dosennahrung, Hemden, Socken und weiß Gott was sonst noch alles. Die Bettlaken waren zerrissen und hingen in Streifen von dem Stockbett. Einer der hölzernen Stühle neben dem Tisch war umgekippt und hatte einen Sprung.
»Ich hab Geschrei gehört.« Patrice richtete sich auf. »Dann einen Heidenradau.«
»Jetzt hör aber auf.« Elijah schob Patrice aus dem Weg. »Das war doch nichts.«
»Solltest besser halblang machen mit dem Pulver, Boss.«
Elijah tat seine Bemerkung mit einem Achselzucken ab. Patrice konnte einem wirklich auf die Nerven gehen. Er kletterte hinauf auf das Deck, das in der gnadenlosen Nachmittagssonne erstrahlte. In weiter Ferne lagen die Hochhäuser von Barranquilla, der größten Industrie- und Hafenstadt an Kolumbiens Karibikküste. Elijah stieß einen tiefen Seufzer aus, legte sich in einen Liegestuhl und starrte übers Meer hinüber zu dem tropischen Wald, der die Küste überzog. Elijah hatte die seetüchtige Luxusjacht mit den Einkünften aus Drogendeals erstanden. Sie war das perfekte Fahrzeug für den Drogenschmuggel. Er war der König an Bord. Er konnte hier machen, wonach ihm verdammt nochmal war. Irgendetwas Beunruhigendes war vorhin in seiner Kajüte passiert; er wusste nur nicht mehr was. Aber es war ihm auch scheißegal.
»Patrice!« Elijah winkte gebieterisch. »Hol mir mal was zu trinken.«
»Du solltest in Form sein für das Rendezvous.«
»Ich brauche was zu trinken.«
»Denk dran, was das letzte Mal passiert ist.«
»Hol mir was zu trinken, verdammt noch mal!«
Patrice verschwand und brachte einen Whiskeybecher voll Rum. Elijah griff nach seinem Hintern. Er war fest und voll, genau wie er es mochte. Er schlang den Arm um Patrices Taille und zog ihn an sich heran. Er spürte, wie Patrice sich versteifte.
»Liebst du mich noch?«, fragte Elijah. Patrice reichte Elijah das Glas.
»Ich hab dich gefragt, ob du mich noch liebst, verflucht noch mal!«
»Ja, Boss, natürlich.« Patrice löste sich aus Elijahs Griff und trat ans Steuerrad.
Zufrieden legte Elijah sich in den Stuhl zurück. Er nippte am Rum. Sie fuhren an einem langen Strand vorbei. Reiche Touristen aus der Ersten Welt und ihre übergewichtigen Gören spazierten über den Sand, spielten mit Frisbees, bauten Burgen oder vertrödelten einfach nur ihre Zeit.
Patrice wies nach links. In der Ferne raste ein Schnellboot vorbei. Holpernd schoss sein weißer Rumpf über die Wellen.
»Küstenwache«, sagte er.
»Wo zum Teufel sind die Kolumbianer? Waren wir nicht hier verabredet?«
»Da sind sie.« Patrice wies auf einen Einlass in eine von Palmen und Dschungelvegetation gesäumte Lagune.
Elijah kniff die Augen zusammen. Die Droge spielte seinem Sehvermögen Streiche. Er griff nach dem Feldstecher an der Wand neben ihm. Einige hundert Meter weiter dümpelte ein dunkelgrünes Schnellboot; die beiden Zylinderreihen zweier Hochleistungsmotoren waren deutlich zu sehen. In ihm standen zwei Männer und blickten in ihre Richtung.
Elijah nickte Patrice zu, der den Motor abstellte. Ihr Boot glitt durch die Lagune, bevor es zum Stillstand kam. Es sorgte für eine Welle, die das Schnellboot noch heftiger schaukeln ließ. Die Männer hatten ihre liebe Not, sich aufrecht zu halten. Elijah grinste.
»Wir haben euch schon gesucht«, rief er.
»Es kam was dazwischen«, rief der Mann, der ihnen am nächsten stand. Er hatte einen kurz gestutzten schwarzen Bart und welliges Haar. Unter seinem blauen Hemd guckte ein ausgeprägter Ranzen hervor. Der andere hinter ihm brachte eine AK-47 zum Vorschein, die er hinter dem Rücken gehalten hatte. Er war wohl Mitte zwanzig, hatte
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