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Schwarzer Koks (German Edition)

Schwarzer Koks (German Edition)

Titel: Schwarzer Koks (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Grenton
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nicht mehr zu sehen. Nathan lief weiter. Er erreichte einen Ausgang. Draußen lief er den Gehsteig vor dem Bahnhof entlang, ging dann wieder hinein, lief im Zickzack durch den Shoppingbereich. Er sah nach oben: Überwachungskameras, soweit das Auge reichte.
    Er trat hinaus auf die Euston Road. Sirenen heulten. Mit blinkenden Lichtern bahnten sich Polizeifahrzeuge einen Weg in die Richtung von Nathans und Amonites verlassenen Fahrzeugen. Ein junger Mann sprach mit einem Polizisten. Er wies auf St. Pancras.
    Es war Zeit, zu verschwinden. Nathan zog die Schultern hoch und mischte sich unter die Passanten, die auf King’s Cross zuhielten. Er schlich praktisch durch den Bahnhof und verließ ihn durch einen Seiteneingang. Er ging an den gläsernen Bürotürmen am York Way vorbei in Richtung seiner Wohnung. Die Sirenen verklangen hinter ihm.
    Ihm blieb nicht viel Zeit. Die Polizei hätte im Handumdrehen sein Nummernschild überprüft. Womöglich checkte man die Aufzeichnungen der Überwachungskameras. Man würde jeden Augenblick vor seiner Tür stehen. Und die SOCA konnte nicht mehr für ihn garantieren.
    Er lief zurück in seine Wohnung. Frustration und Zorn mischten sich in ihm mit Kummer und Schock. Am liebsten hätte er die Regale in der Diele umgestoßen, die Teller in der Küche zerschlagen, durch die Fenster geschossen. Er hatte seine Schwester im Stich gelassen. Er hatte zugelassen, dass Amonite sie auf diese abscheuliche Weise umbringen konnte. Er hatte diese Wohnung nicht mehr verdient.
    Den Blick abgewandt, hob er Caitlins Leiche aus der Wanne. Er legte sie auf ihr Bett. Er schloss ihr die Augen und faltete die Hände auf ihrem Bauch. Dann setzte er sich neben sie, mit bebenden Händen, sein Kopf ein heilloses Chaos an Gefühlen und Gedanken. Willkürliche Erinnerungen aus ihrer Kindheit kamen aus dem Nichts. Wie er ihr bei den Hausaufgaben geholfen hatte. Wie sie ihn an der Schule mit ihren Freundinnen verkuppelt hatte. Die kummervolle Zeit nach dem Tod ihrer Mutter bei einem Autounfall, als sie noch Teenager waren. Die muntere Zeit beim jährlichen Urlaub in Barcelona mit Paps. Dessen langsames Sterben an Krebs. Caitlins Kampf mit ihren Depressionen. Nathan musste an den Abend vor einigen Tagen denken, als sie zusammen um die Häuser gezogen waren. Er wollte, er hätte mehr Zeit mit ihr verbracht.
    Aber jetzt war sie tot. Dem Ritualmord eines kolumbianischen Drogenkartells zum Opfer gefallen. Und es war seine Schuld.
    Nathan hätte nicht sagen können, wie lange er so dasaß. Eine vorbeijaulende Polizeisirene riss ihn zurück in die Realität. Er ging in sein Zimmer; seine Aufgewühltheit wich einem eisigen Zorn. Seine Kleidung war durchnässt und voll Blut. Er stieg in die schwarze Kampfhose, zog ein langärmeliges schwarzes Unterhemd an und einen schwarzen Pulli darüber. Er öffnete den Schrank, stieß die Aktenstapel auf dem Boden beiseite und legte einen kleinen Safe frei. Er drehte das Rad in der Reihenfolge der Kombination. In dem Safe befanden sich sein falscher Pass, die Kreditkarte für ein nicht zu verfolgendes Konto bei einer Offshore-Bank, 10000 Dollar in bar, ein Einbrecherbesteck und eine Glock 17. Er hatte drei Magazine dafür unterm Bett. Er holte sie hervor.
    Caitlins letzte Worte an ihn kamen ihm in den Sinn.
    Warum schicken die nicht jemand anderen?
    Er stopfte alles in seinen Rucksack, dazu einige Sachen zum Umziehen. Dann ging er die Wohnung durch, fand aber nichts. Amonite war zu professionell für Spuren.
    Manchmal nervst du wirklich.
    Irgendetwas fehlte. Der schwarze Würfel. Er lag nicht mehr auf dem Schreibtisch. Auch im Rucksack fand er ihn nicht.
    Amonite musste ihn eingesteckt haben.
    Er küsste Caitlin auf die Stirn. Er zog ihr eine Decke über. Dann verließ er die Wohnung und zog sachte die Tür hinter sich zu. Er stolperte die Treppe hinunter, ignorierte die fragenden Blicke seiner jungen Nachbarn, die ihm mit ihren kreischenden Kindern entgegenkamen. Er zog sich in die finstersten Winkel seines Verstandes zurück, wo seine Ausbildung beim Militär gespeichert war. Er hatte sie hin und wieder bei seiner Arbeit für die SOCA hervorgeholt, aber nie in vollem Ausmaß genutzt.
    Jetzt jedoch konnte er nicht mehr auf die SOCA zählen. Er war ganz auf sich alleine gestellt. Er hatte Caitlins Tod zu rächen. Amonite hatte mit diesem persönlichen Angriff auf ihn einen großen Fehler gemacht.
    Diesmal würde sie es sein, die litt.

Kapitel 26
    Barranquilla, Kolumbien
11. April

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