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Schwarzer Koks (German Edition)

Schwarzer Koks (German Edition)

Titel: Schwarzer Koks (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Grenton
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gedacht hatte. Sie wollte eben bezahlen und wieder gehen, als sie jemanden neben sich ahnte.
    »Kann ich Ihnen noch was bestellen?«
    Die Stimme an ihrem Ohr war alles andere als sanft. Lucia sah sich um. Es war der Dicke. Er stand viel zu nahe; die Spitze seines Schmerbauchs schob sich gegen ihre Hüfte. Die Stoppeln an seinem Kinn waren gelb und sein Atem schal. Das Narbengesicht und der andere Kerl in Jeans waren nicht mehr zu sehen.
    »Gerne.« Lucia versuchte sich an einem Lächeln. »Gin Tonic.« Der Dicke bellte ein Kommando in Richtung des Barkeepers und wandte sich dann wieder Lucia zu. »Sind Sie oft hier?«
    »Ich wohne die Straße hinab.«
    »Was machen Sie denn?«
    »Ich studiere.«
    »Ah, eine arme Studentin.« Ein Auge des Mannes zuckte, was wohl ein Zwinkern sein sollte. »Was studieren Sie denn?«
    »Literatur.«
    Der Barkeeper setzte ihnen ihre Drinks vor. Der Dicke kippte seinen doppelten Whiskey weg und bestellte einen weiteren. Lucias Herz schlug so schnell, dass ihr die Hände zitterten.
    »Und Sie sind?«
    »Alberto. Ich bin Kontraktor für eine große Firma.«
    »Kontraktor?«
    »Staatsgeschäfte.« Er zwinkerte wieder und steckte sich eine Zigarette an. »Streng geheim.«
    Lucia lächelte einfältig. Sie wandte sich ihm ganz zu und legte die Hände aneinander. »Und heute Abend haben Sie frei?«
    »Allerdings.« Alberto kippte einen weiteren Whiskey weg und schnippte mit den Fingern nach einem dritten.
    »Prima.«
    Mit verschwitzten Händen umfasste Alberto ihr Knie, direkt unter dem Saum ihres Rocks. Sie gab sich alle Mühe, nicht zurückzufahren.
    »Dann bin ich sicher, wir können ein bisschen Spaß miteinander haben«, sagte Alberto und schielte durch den Zigarettendunst lüstern nach ihrem Ausschnitt.

Kapitel 53
    Bogotá, Kolumbien
14. April 2011
    Das Raunen wurde zu einem Rauschen. Es hörte sich an wie ein ferner Wasserfall. Dann schoss das Wasser Nathan auch schon um die Knie, zerrte an seinen Beinen, erst sachte, dann insistierend, dann mit Gewalt.
    Nathan watete an die Tunnelwand. Er tastete nach etwas, woran es sich festhalten ließ. Seine Finger gruben sich in Ritzen in der schleimigen Wand, fanden aber nirgendwo Halt. Die Strömung stieß ihn vorwärts. Das Wasser kam jetzt mit der Wucht einer Dampflok durch den engen Tunnel geschossen und reichte ihm schlagartig bis an den Bauch.
    Nathan schnappte nach Luft. Gerade dass er an dem beißendem Gestank nicht erstickte. Das Wasser reichte ihm jetzt bis an die Brust. Seine Füße verloren den Halt, berührten den Boden noch einmal, rutschten dann wieder weg, bis er gar nichts mehr unter sich spürte. Obwohl er wusste, dass es keinen Sinn hatte, war er versucht, um Hilfe zu schreien.
    Die Kanalisation wurde zum Fluss, der ihn mitriss und immer wieder nach unten zu ziehen versuchte, auf dass er wie eine Ratte ersoff. Er ruderte mit den Händen, griff aber nur ins Leere.
    Er tauchte unter, kam nach Luft schnappend wieder hoch, paddelte mit beiden Händen, versuchte zu schwimmen. Sein Kopf knallte gegen die Decke. Weiße Sterne tauchten tanzend vor seinen Augen auf.
    Wieder riss ihn die Strömung nach unten. Fest verschloss er Augen und Mund. Das Herz schlug ihm bis in die Schläfen. Er trat mit den Füßen um sich.
    Er tauchte wieder auf, schnappte wieder nach Luft. Irgendwelcher Abfall klebte an seiner Backe. Er wischte ihn weg. Seine Finger gerieten gegen eine Metallstange, die er instinktiv mit beiden Händen ergriff. Sie war offenbar Teil der Tunnelwand. Wieder knallte ihm etwas Hartes ins Gesicht, aber er hielt die Stange umklammert, bis ihm schier die Arme abfallen wollten. Seinen Beinen fehlte jede Kraft. Sein Brustkorb arbeitete krampfhaft in dem Versuch, wieder zu Atem zu kommen und das Entsetzen zu überwinden, das ihn erfasst hatte.
    Er zog sich näher an die Wand. Das Abwasser schoss an ihm vorbei. Er versteifte sich gegen das Treibgut, das ihn von der Wand zu stoßen drohte. Er schien eine Ewigkeit so da zu hängen. Die Sintflut schien nicht enden zu wollen. Ein Tier kroch ihm über die Hände und den Arm hinauf. Es knabberte an seinem Ohr. Nathan versuchte es abzuschütteln. Es grub die Krallen in seine Kleidung. Nathan packte es und schleuderte es in die Dunkelheit.
    Im selben Augenblick stieß ihm etwas gegen den Rücken. Die eine Hand, mit der er sich noch hielt, verlor den Halt. Er sah sich wieder in den Fluss hinausgerissen. Wild rudernd trieb er dahin. Die Strömung war zu stark. Sein Kopf schrammte gegen die Decke.

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