Schwarzer Kuss Der Nacht
des Spiegels und starrte in Mais Wohnzimmer.
Kapitel 6
Hier sind sie.« Mai hielt zwei Bücher in die Höhe, als sie ins Wohnzimmer zurückging. »Sarah?« Sie blickte sich um, konnte Sarah jedoch nicht entdecken. Im Bad war sie auch nicht. Nach einem kurzen Rundgang stellte sie fest, dass Sarah gar nicht mehr in der Wohnung war.
Möglicherweise war sie in ihr Apartment zurückgegangen, um weiterzubüffeln. Mai fand es ein bisschen seltsam, dass sie sich nicht einmal verabschiedet hatte. Nun, vielleicht hatte sie es auch bloß nicht gehört. Sie überlegte, ob sie nach nebenan gehen und nachsehen sollte, ob Sarah wirklich wieder in ihrer Wohnung und Will verschwunden war. Dann aber entschied sie, dass sie sich wieder einmal von ihrer Paranoia leiten ließ, und das Letzte, was Sarah brauchte, war noch eine Frau, die sie übertrieben beschützte.
Also legte Mai die Bücher auf den Küchentresen, damit sie sie Sarah später geben konnte, und kümmerte sich um ihr Essen. Als ihre Gedanken zu dem Vorfall in der Metzgerei zurückkehrten, fragte sie sich, ob sie ihre Therapie eventuell zu früh abgebrochen hatte.
Aber selbst wenn – ihr Therapeut war tot. Ermordet. Wer brachte einen Mann wie Mr. Barbour um? Vermutlich irgendjemand, der bei ihm in Behandlung gewesen war. Mai selbst hatte ihn auch nicht sonderlich gern gemocht, was natürlich nicht bedeutete, dass sie ihm den Tod wünschte.
Nein, sie musste aufhören, über Dr. Barbour nachzudenken.Kaum aber zwang sie ihre Gedanken von ihm weg, landeten sie bei Nick Blackhawk. Warum sie an ihn dachte, konnte sie nicht sagen. Freiwillig ganz gewiss nicht. Ja, er war auf eine rauhe, natürliche Art attraktiv, keine Frage, und er besaß etwas Arrogantes, Anmaßendes, das ihn zugleich unglaublich enervierend und sexy machte.
Mai schloss die Augen, um ihren Kopf frei zu bekommen, sah jedoch prompt Nick vor sich, der sie amüsiert anschaute. Oh, Mist! Vielleicht sollte sie heute Abend ins »Ricco’s« gehen. Einer seiner Vampire konnte ihr sicher helfen, all ihre Sorgen zu vergessen. Doch leider klang das längst nicht mehr so verlockend wie früher. In ihren Träumen hätte sie besseren Sex. Wie erbärmlich war das denn?
Schlimmer noch: Sobald ihr dieser Gedanke kam, freute sie sich tatsächlich, heute Nacht vielleicht wieder einen erotischen Traum zu haben.
Ja, sie freute sich so sehr darauf, dass sie frühzeitig ins Bett ging!
Mai war gar nicht bewusst, dass sie träumte, musste es aber wohl. Eben noch war sie in einer Endlosschleife gefangen gewesen, in der sie nichts anderes tat, als auf ihren Laptop einzuhacken, während die Worte ihres Artikels genauso schnell wieder verschwanden, wie Mai sie tippte. Im nächsten Moment war
er
da.
Es war ihr Retter, derselbe Mann, von dem sie die Nacht zuvor geträumt hatte.
»Du bist gekommen!«, flüsterte sie, stand von ihrem Stuhl auf und ging zu ihm.
Sie fühlte, wie eine seiner Hände sich an ihre Taille legte, während die andere sanft über ihre Wange streichelte. Er blickte sie mit einem Verlangen an, das ihr sogar im Traumden Atem raubte. »Ich konnte nicht anders«, raunte er ihr zu und beugte den Kopf zu ihr. Seine Lippen berührten ihre, einmal, zweimal. Es waren kurze zarte Küsse, die Mais Wunsch nach mehr weckten.
Also umfing sie ihn mit beiden Armen und vertiefte den Kuss. Seine fordernde Reaktion war exakt das, was sie sich erhofft hatte.
»Das ist verrückt«, flüsterte sie, als sie eine Atempause machte. »Ich kenne nicht einmal deinen Namen.« Sie sah ihn an, doch im Traumnebel verschwammen seine Züge.
»Was ist schon ein Name?«, erwiderte er leise und hauchte Küsse auf ihre Lippen und ihren Hals. »Eine Rose mit anderem Namen würde genauso lieblich duften.«
»Ein Mann, der Shakespeare zitiert. Sei still, mein Herz!«
Er lachte und umarmte sie. »Du hast mir gefehlt.«
Dann nahm er ihre Hand, und sie gingen gemeinsam. Mit zwei Schritten waren sie aus ihrem Apartment und barfuß an einem Sandstrand. Mai glaubte, die Sonne auf ihrer Haut zu fühlen wie auch den kühlen feuchten Sand zu ihren Füßen. Die Schreie der Möwen mischten sich in das rhythmische Schlagen der Wellen. Wieder einmal empfand Mai vollkommene Zufriedenheit und Ruhe. Erst ein Mal hatte sie bisher einen solchen Frieden erlebt, bei diesem Mann.
Der Teil von ihr, der begriff, dass sie träumte, warnte sie, dass es nicht andauern konnte, aber sie weigerte sich, auf ihn zu hören – nicht in diesem Moment.
Als die Sonne
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