Schwarzer Kuss Der Nacht
nein, ich
kann
es wirklich nicht.« Sie zuckte mit den Schultern, obgleich er es gar nicht sehen konnte. »Meine Magie ist neuerdings ein bisschen aus dem Ruder. Na ja, aber das ist eine lange Geschichte.«
»Nur zu, so bald laufe ich hier nicht weg!«
Sie überlegte, was sie ihm erzählen sollte, und entschied sich für die Wahrheit. »Ungefähr vor anderthalb Jahren versuchte ein uralter Dämon, die Welt zu zerstören, indem er alle Lebensmagie vernichtete. Aber davon wirst du einiges gehört haben.«
»Klar. Eine Gruppe von Hexen hat das Problem entdeckt und die Unsterblichen gerufen, damit sie sich den Dämon vornehmen. Alle dachten, die Unsterblichen wären bloß ein Mythos, entsprechend war es ein ziemlicher Knaller, als sie tatsächlich auftauchten.«
»Tja, der Hexenzirkel des Lichts und die Unsterblichen haben sich dem Dämon nicht allein entgegengestellt. Es war noch eine Handvoll anderer Wesen bei ihnen, Vampire, Gestaltwandler, andere Hexen und eine Waldnymphe.«
»Du.«
»Ja, ich.«
»Nicht die üblichen Kreise, in denen Waldnymphen sich bewegen.«
»Was soll das heißen?«, fragte Mai, die nicht sicher war, ob sie beleidigt sein sollte oder nicht.
»Bloß dass die anderen Wesen, die du aufgezählt hast, von Natur aus Krieger und Kämpfer sind. Waldnymphen neigen mehr zu Spaß und Sorglosigkeit.«
»Ja. Na ja, ich schätze, du hast recht, denn ich bin die Einzige, die sich seither mit psychischen Problemen herumschlägt – abgesehen von Tain, versteht sich. Er ist einer der Unsterblichen. Er wurde über Jahrhunderte von dem Dämon gefangen gehalten und gefoltert, bis er nicht mehr wusste, auf welcher Seite er stand.«
Sie fuhr fort: »Natürlich scheint es ihm inzwischen besser zu gehen. Heute kämpft er eindeutig für die Guten. Ich habe sogar gehört, dass er kürzlich geheiratet hat.«
»Und dieses Erlebnis hat deine Magie beeinträchtigt.«
»Unter anderem.« Die Pinzette traf auf etwas Hartes, und Mai erstarrte. »Ich glaube, ich habe eine Kugel gefunden!«
»Ja«, stöhnte Nick, »fühlt sich so an.«
»Entschuldige!« Ihr gefiel nicht, dass sie ihm mehr Schmerz bereitete.
»Es wird noch um ein Vielfaches schmerzhafter. Du musst die Kugel herausholen, und das bedeutet, dass du weitergräbst, bis du sie zu packen bekommst.« Er seufzte, und sie sah, wie er seine Finger in das Kissen krallte. »Bringen wir es also am besten hinter uns.«
»Okay.« Sie blickte suchend in die Wunde und wünschte, sie hätte besseres Licht. Als sie sich im Zimmer nach einer weiteren Lampe umsah, fiel ihr Blick auf ihre kleine Leselampe.
Sie musste reichen. Sie ließ sie ans Buch geklemmt und legte es ihm auf den Rücken, so dass das Licht direkt in die Wunde schien. Dann beugte sie sich vor und sah wieder in das Loch.
Enorm erleichtert stellte sie fest, dass sie die Kugel sehen konnte, und machte sich an die Arbeit. Sie brauchte mehrere Anläufe, und bei jedem rang Nick nach Luft.
Sobald sie die erste Kugel draußen hatte, nahm sie sich die zweite vor. Sie saß etwas tiefer, und Mai hatte ein furchtbar schlechtes Gewissen. Sie sollte hier liegen, nicht er. Er hätte nicht einmal im Park sein dürfen.
»Darf ich dich etwas fragen? Warum bist du in den Park gegangen?«
Nick schwieg eine Sekunde lang. »Nachdem ich den Anruf gehört hatte, war ich in Sorge, dass du in Schwierigkeiten geraten könntest. Also beschloss ich, zuerst dort zu sein.«
»Im ersten Moment, als ich dich sah, dachte ich, du hättest Lenny umgebracht.«
»Und jetzt?«
Sie hatte das Bild von der Gestalt, die sich über Lennys Leiche beugte, noch klar vor Augen.
»Ich bitte dich, Mai, hast du eine Waffe in meiner Hand gesehen?«
»Nein, aber die könntest du versteckt haben.«
»Ja, sicher! Ich könnte sie ins Gebüsch geworfen und dann Telekinetik benutzt haben, damit die Kugeln auf uns feuern, wenn wir weglaufen. Besonders dass ich mir selbst in den Rücken feuerte, war ein brillanter Zug! Aber dir konnte ich nichts vormachen, was? Du hast mich von Anfang an durchschaut. Mist, jetzt bin ich geliefert!«
»Schon gut!«, murmelte sie. »Ich hab’s begriffen.«
»Hast du? Schön, dann möchte ich gleich noch etwas loswerden: Du musst vorsichtiger sein. Du könntest in diesem Moment tot im Park neben – wie heißt er noch gleich? – liegen.«
»Lenny.«
»Egal. Der Punkt ist, dass du nachdenken musst, bevor du dich in solche Situationen begibst.«
»Kannst du mir vielleicht später einen Vortrag halten?Ich fände es
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