Schwarzer Kuss Der Nacht
Sekunden war er tot. Plötzlich lief alles wie in Zeitlupe, und er sah seltsam deutlich, wie der andere den Finger auf dem Abzug krümmte. Nick nutzte seine letzte Kraft, um zuerst abzudrücken.
Der Knall beider Waffen war ohrenbetäubend. Danach war nichts mehr.
»Ich dachte, du magst die Wohnung.«
»Ich brauchte eine Veränderung«, erläuterte Mai, die aus dem Fahrstuhl stieg. »Dort habe ich schon so lange gewohnt, dass ich einfach einmal etwas Neues wollte.«
Et
w
as Sicheres.
»Außerdem ist die Lage viel besser.«
»Ja, und doppelt so teuer für die halbe Fläche.«
»Das kann ich mir leisten.«
Heather Barnes wirkte nicht hundertprozentig überzeugt, sagte jedoch nichts weiter. Heather gehörte dem Hexenzirkel des Lichts an und damit zu jenen Hexen, die geholfen hatten, die Unsterblichen zu rufen, um den Dämon niederzuschlagen. So hatten Mai und sie sich kennengelernt, und seither waren sie befreundet.
»Ich bin echt dankbar für deine Hilfe!« Mai war ein bisschen nervös, als sie den Flur zu ihrer alten Wohnung entlanggingen. Seit der Halluzination vor zwei Tagen wohnte sie in einem Hotel, und dies war das erste Mal, das sie wieder herkam. »Allein könnte ich den ganzen Kram unmöglichtransportieren«, fuhr sie fort, angelte ihren Schlüssel aus der Tasche und steckte ihn ins Schloss.
»Du bist hoffentlich nicht sauer, aber ich dachte, wir könnten mehr Hilfe gebrauchen«, sagte Heather. »Deshalb habe ich noch jemanden angerufen.«
Als Mai die Tür öffnete, fand sie sich einer großen schlanken Frau mit langem schwarzem Haar und hellgrauen Augen gegenüber. Neben ihr stand ein noch größerer, muskelbepackter Mann, dessen dunkles Haar schulterlang war und der einen ärmellosen schwarzen Staubmantel trug. Seine breite Brust und seine Arme waren von unzähligen Tattoos bedeckt.
»Lexi! Darius!« Mai stürmte auf ihre Freundin zu und umarmte sie. Es war gut möglich, dass sie Lexi ein wenig zu heftig umarmt hatte und ihr überdies Tränen gekommen waren, aber Lexi war so freundlich, weder das eine noch das andere zu erwähnen. »Was macht ihr zwei hier?« Sie umarmte auch Darius, während sie wieder einmal dachte, was für ein Glück die beiden hatten, dass sie einander begegnet waren.
»Heather hat angerufen und uns erzählt, was los ist«, antwortete Lexi.
Mai blickte ungläubig zu Heather. »Ich dachte, den Rufzauber dürfe man nur in richtigen Notfällen benutzen – kurz vor dem Weltuntergang, meine ich.«
Heather und Lexi lachten. »So hat sie mich auch nicht gerufen«, erklärte Lexi. »Sie nahm das Handy.«
Mai war sicher, dass sie selten blöd dreinschaute.
»Wir waren nicht in Ravenscroft«, klärte Lexi sie auf. »Wir sind gerade bei meinen Eltern zu Besuch.«
»Was denn? Sekhmet hat euch gehen lassen?«, fragte Mai, die wusste, wie sehr die Göttin sich an ihren Enkel klammerte.
»Na ja, nach einiger Überredung«, gestand Darius.
»Sie meint es nur gut«, ergänzte Lexi.
Erstaunlicherweise mochte Lexi ihre Schwiegermutter mit dem übertriebenen Beschützerinstinkt.
»Jedenfalls hatten wir sowieso vorgehabt, bei dir vorbeizukommen, als Heather anrief.«
»Und wo ist Zach?« Mai blickte sich um, denn sie hatte ihr Patenkind seit seiner Geburt nicht mehr gesehen und fragte sich, wie groß er inzwischen sein mochte.
»Wir haben ihn bei meinen Leuten gelassen.« Als Mai die Stirn runzelte, klopfte Lexi ihr beruhigend auf den Arm. »Keine Bange, nach dem Umzug komme ich dich mit ihm besuchen. Aber jetzt an die Arbeit! Heather sagte, du willst schnellstmöglich raus, deshalb haben Darius und ich schon mal ein paar Sachen verpackt. Komm mit, ich zeig’s dir!«
Lexi nahm Mai beim Arm und führte sie ins Schlafzimmer.
»Ich fasse es nicht!«, hauchte Mai, die sich umsah. »Das ist ja phantastisch!« Das ganze Zimmer war leer bis auf das kahle Bettgestell, ihre Kommode und mindestens ein Dutzend Kartons. Die Wandschranktür stand weit offen. Drinnen baumelte ein einzelner leerer Kleiderbügel. »Ihr habt ja alles eingepackt! Seit wann seid ihr denn hier?«
»Seit ein paar Stunden.« Als Mai sie fragend ansah, zuckte Lexi nur mit den Schultern. »Tja, was bringen Darius’ ganze Superkräfte, wenn ich sie nie nutzen kann?«
»Also, ohne Hilfe kriege ich den ganzen Kram auch nicht in die neue Wohnung hinüber«, mischte Darius sich ein, der ihnen gefolgt war. »Lexi hat Bekannte angerufen und einen Umzugswagen mit Möbelpackern bestellt. Sie müssten jeden Moment hier sein.
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